Im Dunkel der Schuld
umhängen. Stattdessen räumte sie ihren Schreibtisch auf und warf die aktuelle Tageszeitung, die sie abonniert hatte, in den Papierkorb. Im Lokalteil war heute ein abscheulicher Unfall der Aufmacher gewesen, bei dem jemand in seinem Garten mit seinem Radlader tödlich verunglückt war. Unglaublich, wie groÃe Gärten es hier in Baden-Baden gab, dass jemand schon einen Radlader brauchte, um ein Steinbeet anzulegen. Ebba hatte nur die Ãberschrift gelesen und die Seite dann schaudernd umgeblättert. Ihr Bedarf an tödlichen Unglücksfällen war für den Rest ihres Lebens gedeckt.
Halb sieben.
DrauÃen hielt eine cremefarbene Vespa. Ein Mann im dunklen Anzug und mit silberfarbenem Helm auf dem Kopf stieg ab, nahm einen zweiten Helm aus dem Fach unter der Sitzfläche und steuerte auf die Ladentür zu. Ebba wich erschrocken zurück.
Die Türglocke ging, und Flemming kam herein, nahm seinen Helm ab und hielt ihr den anderen hin. »Lust auf eine Spritztour?«
Für einen winzigen Moment war sie versucht einzuwilligen. Es wäre so verlockend, sich auf den Roller zu setzen und davonzubrausen. Aber allein. Auf keinen Fall als Klammeraffe hinter ihm auf dem Rücksitz.
»Ich kann die Galerie noch nicht schlieÃen«, fiel ihr schlieÃlich als Ausrede ein.
»Warum nicht? Ich sagâs keinem. Zettel an die Tür, Handynummer für dringende Fälle, fertig.«
Er legte die Helme auf ihren Schreibtisch und hielt ihr den kleinen Schlüssel vor die Nase.
»Geben Sie sich einen Ruck. Sie dürfen auch an den Lenker.« Er beugte sich vor und sah ihr tief in die Augen. »Das ist es doch, was Sie zögern lässt, oder?«
DreiunddreiÃig
Touristen aus aller Welt saÃen an den rustikalen Holztischen, stemmten MaÃkrüge und lieÃen sich Schweinshaxen bringen.
»Prost, Badde-Badde!«, rief eine zierliche Asiatin neben ihr und lachte herzhaft. Ebba macht sich steif. Es würde nichts nutzen, der Frau zu erklären, dass weiÃ-blaue Rauten zu Bayern, aber nicht ins Badische gehörten. Sie fühlte sich in diesem Restaurant genauso fehl am Platz, wie es in dieser Stadt die Dirndl, Lederhosen oder die Almjodler waren, die gerade aus den Lautsprechern quollen. Aber allen gefiel es, auch Flemming, der sich ihr gegenüber zufrieden zurücklehnte.
Er hatte sich nicht abwimmeln lassen. Zwar hatte sie ihm die Rollerfahrt ausreden können, aber dann hatte er darauf bestanden, sie nach Feierabend zu begleiten. Er habe denselben Weg, hatte er gesagt, auch wenn er doch gar nicht wissen konnte, wo sie wohnte. Vielleicht hatte er nur den Weg in die FuÃgängerzone gemeint.
Weil er nicht lockerlieà und um ihn später vor ihrem eigentlichen Heimweg elegant abschütteln zu können, hatte sie ihm schlieÃlich vorgeschlagen, im Löwenbräu ein Bier zu trinken. Inzwischen bereute sie es. Sie hatte das Lokal bislang nur von auÃen gekannt und sah sich nun in all ihren Vorurteilen bestätigt. Am liebsten hätte sie sofort die Flucht ergriffen, aber in Bezug auf Flemming überwog allmählich ihre Neugier.
»Wann fahren Sie nach Hamburg zurück?«, fragte sie ihn.
»Morgen. Ende Mai komme ich wieder. Vielleicht können wir gemeinsam die Neo-Rauch-Ausstellung besuchen. An Ihrer Seite wäre das ein Gewinn für mich.«
Ebba musterte ihn. Flirtete er mit ihr? Das wollte sie nicht.
»Mein Freund kommt mit dem Presseausweis hinein. Ich könnte Sie also zur exklusiven Eröffnungsveranstaltung auf meiner Einladungskarte mitnehmen, das ist kein Problem.«
»Danke.« Auf seiner Wange, die eine Rasur vertragen konnte, bildete sich ein Grübchen.
»Dieser Freund â Presse? Funk? Fernsehen? Vermutlich beim SWR hier in Baden-Baden?«
»Er fotografiert für mehrere Magazine.«
»Stammten die Aufnahmen über die Galerieeröffnung von ihm? Er hat ein gutes Auge.«
»Das werde ich ihm gern ausrichten.«
»Begleiten Sie ihn manchmal zu den Shootings?«
»Ich lasse meine Galerie schon viel zu oft in Frau Hilperts Obhut, wenn ich zu Kunstmessen und Ausstellungen fahre.«
»Sie geben die Dinge nicht gern aus der Hand â ich weiÃ.«
Georg musste ihm wirklich viel erzählt haben.
»Hatten Sie oft Kontakt mit meinem Bruder? Es wundert mich, dass er Sie nie erwähnt hat.«
»Nach der Heirat mit Maria hatte er eben andere Prioritäten.«
»Sie
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