Im Dunkel der Schuld
hatten, lockerten und wie ihr Verstand versuchte, das Unabänderliche zu akzeptieren. Dann erreichten sie einen groÃen, kreisrunden Platz, der an seiner AuÃenseite von eng aneinanderstehenden kleinen, spitzgiebeligen Häusern umringt war, die Ebba an die Puppenstuben in Arnis erinnerten. Auch diese Gebäude waren liebevoll renoviert, durch ihre kreisförmige Anordnung hatten sie etwas Museales, was durch die Stille noch verstärkt wurde. Keine Autos, nur vereinzelt Fahrradfahrer und Anwohner, die Einkaufskörbe heimbrachten. In manchen Fenstern lagen kleine Schilder und Fotos, die signalisierten, dass man die Anwesen für die Ferien mieten konnte.
Vor den Häuschen führte eine schmale StraÃe im Kreis, und in der Mitte des groÃflächigen Rondells gab es einen parkähnlichen Friedhof mit zierlichen Bäumen, liebevoll gepflegten Gräbern und einer kleinen Kapelle mit spitzem Dach.
»Ist das �«
Jörg nickte. »Der Friedhof des Fischerviertels Holm, den Rosie wohl gemeint hatte, wenn ich dich richtig verstanden habe. Ich finde, du hast eine gute Entscheidung getroffen. Wo und wie jemand beerdigt wird, sollten die Hinterbliebenen bestimmen dürfen und das aussuchen, was für sie machbar ist. Wie oft hättest du hier das Grab besuchen können? Abgesehen davon glaube ich, dass es gar nicht so einfach ist, als Nicht-Holmer hier beigesetzt zu werden. Schon gar nicht, wenn es sich um â¦Â«
Er verstummte.
Ebba verstand sofort, was er meinte: Es war noch nicht lange her, dass die katholische Kirche Selbstmördern ein christliches Begräbnis verwehrt hatte.
»Rosie hat sich nicht umgebracht«, sagte sie heftig.
Jörg sah sie skeptisch an. »Sondern?«
»Sie hatte Höhenangst. Seit ihrer Kindheit. Sie konnte nicht einmal über eine Brücke gehen, ohne SchweiÃausbrüche zu bekommen. Sie ist deswegen extra ins Flachland gezogen. Wie kann sich so jemand vom Balkon eines Hochhauses stürzen? Ich kann mir das nicht vorstellen. Auch nicht nach dem schrecklichen Anruf von Silvester.«
»Was für ein Anruf?«
»Sie hatte Angst, furchtbare Angst, und sie erzählte etwas von Brücken, Kränen ⦠Und dann war die Leitung tot. Als habe jemand anders das Gespräch unterbrochen.«
»Jemand anders? Aber sie lebte allein, hast du gesagt.«
»Es gab jemanden, einen Mann, einen Arzt. Mehr weià ich nicht. Sie hat immer abgeblockt, wenn ich sie nach ihm gefragt habe.«
»Woher weiÃt du dann, dass es ihn gab?«
Seine Stimme kam ihr spöttisch oder auch ein wenig nachsichtig vor, als sei sie nicht ganz bei Trost.
»Weil sie es mir selbst gesagt hat. Und weil sie plötzlich Dinge getan hat, die sie nie im Leben ⦠Denk doch nur an diese Wohnung. In einem Hochhaus. Wo sie sich schon bei mir kaum auf die Toilette traute, weil sie dazu am Fenster vorbeimusste. Und dann behauptet die Polizei auch noch, sie sei alkoholisiert gewesen. Dabei hat sie nie einen Tropfen angerührt, niemals!«
»Hast du das der Polizei gesagt?«
»Sie untersuchen den Fall wirklich gründlich. Angeblich gibt es keine Hinweise auf den Mann.«
»Meine Güte, es kann doch nicht so schwer sein, ihn zu finden.«
»Offenbar hat Rosie ihn nie angerufen oder Post von ihm bekommen. Niemand hat je einen Mann in ihrer Nähe gesehen. Es ist, als habe er eine Tarnkappe aufgehabt.«
»Seit wann ging das so?«
»Das weià ich noch ganz genau: seit der Beerdigung meiner Mutter.«
Jörg blieb stehen. »Woran ist deine Mutter eigentlich gestorben?«
»An den Komplikationen einer Lungenentzündung.«
»Hattest du nicht gesagt, sie sei wegen einer Ãberdosis Tabletten ins Krankenhaus gekommen?«
»Schon, aber das war genauso absurd wie Rosies Sturz.«
»Siehst du da einen Zusammenhang?«
Ebba hob die Schultern. »Ich weià langsam gar nicht mehr, was ich glauben soll. Alles ist seltsam, Jörg. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass meine Mutter auch nur eine Tablette schluckt. Die Umstände von Georgs Tod waren genauso merkwürdig. Wieso ist er in einen Lift gestiegen? Alle drei sind an dem gestorben, was sie zu Lebzeiten am meisten gefürchtet haben.« Ebba blieb stehen. »Das macht mir Angst. Manchmal denke ich, es könnte einen Zusammenhang zwischen den Todesfällen geben. Vielleicht hat alles mit früher zu tun.«
Sie
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