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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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es wirklich nichts zu sehen gegeben hatte.
    Es blieb noch eine Möglichkeit. Ebba stapfte durch den fast unberührten Schnee der stillen Hauptstraße, bis sie den Pfad zum Wasser fand und an der Schlei entlang zur Rückseite des Hauses gelangte. Das lange Grundstück grenzte an einen schmalen Fußweg direkt am Wasser. In der Nähe klapperten Segelmasten im eisigen Wind, irgendwo hämmerte jemand an einem aufgedockten Boot herum.
    Ebba öffnete das niedrige Tor und ging durch den langen, kahlen Handtuchgarten, der eigentlich nur aus einem schmalen Stück schneebedecktem Rasen bestand, zur Hintertür. Es gab viele Spuren im Schnee. Auch hier hinten prangte ein Siegel am roten Türrahmen, sogar die kleine Klappe unten rechts war verklebt. Davor kauerte Rosies kleine schwarze Katze. Wie hieß sie nur? Sie schnurrte, als Ebba sie streichelte, und ließ sich hochnehmen, ohne sich zu wehren.
    Schon tat Ebba das Tier leid. Sie konnte es nicht seinem Schicksal überlassen oder auf mitleidige Nachbarn hoffen, die es durchfüttern würden. Doch bestimmt nahm Inken die Katze auf. Irgendwie würden die beiden zusammenpassen.
    Die Katze hielt ganz still, als ahne sie, dass es um ihre Zukunft ging. Sie war warm, und ihr Fell fühlte sich seidig glatt an. Ebba setzte sie ab und ging in die Hocke, während sie sie weiterstreichelte und die Katze sich an sie drückte.
    Â»Was mach ich denn jetzt mit dir, Kätzchen? Rosie kommt nicht mehr, hörst du? Sie ist …« Nein, das Wort »tot« wollte immer noch nicht über ihre Lippen.
    Nie im Leben hatte sich Ebba so verlassen gefühlt. Wie hatte Rosie ihr das nur antun können!
    Da war noch etwas: Wenn sie die Tat geplant hatte, warum war sie gesprungen, ohne sich vorher um ihre geliebte Katze zu kümmern? Einerseits die Abschiedsbriefe, andererseits keine neue Heimat für das Tier, das ihr doch wichtig gewesen sein musste, so gepflegt, wie es aussah, und so zutraulich, wie es war. Solch eine kleine Gefährtin ließ man nicht einfach im Stich. Rosie jedenfalls nicht. Nicht, wenn sie sich schon die Zeit nahm, seltsame Briefe zu schreiben. Wenn das überhaupt Abschiedsbriefe waren.
    Sie sollte Asmus bitten, ihr von den anderen Schreiben ebenfalls Kopien zu machen. Aber würde es etwas nutzen? Wenn es einen Hinweis auf Fremdverschulden gab, hätte die Polizei ihn gefunden, so weit vertraute sie dem Wikinger.
    Immer noch streichelte sie die Katze, während sie für die nächsten Tage Pläne schmiedete. Sie würde nicht nach Baden-Baden fahren, ehe nicht Wohnung und Haus freigegeben waren und sie sich mit eigenen Augen überzeugt hatte, dass es wirklich keinen Hinweis darauf gab, Rosie sei vielleicht nicht freiwillig gesprungen oder es habe jemanden in ihrem Leben gegeben, vor dem sie Angst hatte. Sie musste es selbst überprüfen, eher würde sie keine Ruhe finden. Frau Hilpert hatte sich gestern schon bereiterklärt, sie in der Galerie zu vertreten, und das würde bestimmt wie immer tadellos funktionieren. Größere Aktionen waren für die nächste Zeit nicht geplant, die Wochen nach Fasching waren in der Regel sehr flau.
    Sie würde sich ein Hotel suchen, denn Inkens fröhliche Farbigkeit und die Enge der Wohnung ertrug sie keinen Tag länger.
    Die junge Buchhändlerin hatte beim Frühstück schüchtern gefragt, wie es mit dem »Eulennest« weitergehen würde, und Ebba hatte sie ermuntert, den Laden ab Montag wieder zu öffnen. »Alles Weitere wird sich finden«, hatte sie gesagt, und erst jetzt, auf der Stufe von Rosies Hintertür wurde ihr klar, dass es eine Menge zu organisieren gab, von bürokratischen Dingen bis hin zur Beerdigung. Rosie hatte eigentlich auf einem bestimmten Friedhof beerdigt werden wollen, dann jedoch Friedas Willen mit dem Familiengrab nachgegeben. Ebba wollte ihr den Wunsch dennoch erfüllen. Wer sprang, um frei zu sein, sollte im Tod keine Rücksicht mehr nehmen müssen. Leider hatte sie den Namen des Friedhofs vergessen. Vielleicht fand sich dazu etwas in den Briefen.
    Das Kätzchen reckte sich plötzlich unruhig und strich an ihren Beinen vorbei, hob witternd das Köpfchen mit dem weißen Fleck auf der Nase, dann sauste es mit einem leisen Fauchen pfeilschnell davon.
    Schritte knirschten im Schnee hinter ihr, und Ebba drehte sich erschrocken um. Sie blinzelte gegen die fahle Sonne, die sie blendete, schirmte die Augen

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