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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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den Vorratsschränken türmte sich Katzenfutter, im Wohnzimmer stolperte man über kleine Wollmäuse, Bälle aus Alufolie, in der Garderobe entdeckte sie sogar einen Schirm mit Katzenmotiv.
    Rosie schien ja wie besessen von ihrer vierbeinigen Mitbewohnerin gewesen zu sein. Es sah so aus, als sei die Katze zuletzt wichtiger als die geliebten Bücher gewesen. Dann war ihre erste Eingebung vielleicht richtig: Niemals hätte Rosie ihren kleinen Liebling verlassen, ohne sich wenigstens um einen Pflegeplatz für das Tier zu kümmern. Indiz Nummer zwei.
    Und dann Merkwürdigkeit Nummer drei, von der sie schon durch Asmus gehört hatte: der Computer. Ebba setzte sich an den kleinen Arbeitsplatz im Wohnzimmer und schaltete ihn ein. Warum hatte Rosie ihr nicht gesagt, dass sie nun auch zu Hause online war? Warum hatte sie bis zuletzt behauptet, sie könne nur im »Eulennest« Mails empfangen?
    Der Computer fuhr hoch. Ebba untersuchte die Anschlüsse, dann die Programme und stieß einen leisen Pfiff aus. Es gab tatsächlich keine Internet-Verbindung, kein Outlook oder Office-Programm, nicht einmal Excel war auf dem Rechner aufgespielt. Nur Word. Auf dem Desktop gab es einen einzigen Ordner, den Rosie mit »Projekt« tituliert hatte.
    Ebba öffnete ihn. Die Dateien trugen keine Titel, nur Nummern, dreiundzwanzig an der Zahl. Die letzte war eine Seite lang, und Ebba erkannte sie sofort. Es war der seltsame »Abschiedsbrief«, dessen unterschriebenen Ausdruck die Polizei im Turm gefunden hatte.
    Ebba schaltete den Drucker neben dem Rechner ein und druckte den Text noch einmal aus. Derselbe Text, nicht ein Zeichen verändert. Die Datei war am 6. März zum letzten Mal geändert worden. Tat man das? Schrieb man Abschiedsbriefe einen Tag im Voraus? Und warum hatte Rosie ihn in den Computer eingegeben und nicht mit der Hand geschrieben? Warum hatte sie ihn als Nummer 23 bezeichnet, in einem Ordner mit der Überschrift »Projekt«? Warum hatte sie die Katze nicht erwähnt oder sich wenigstens für ihre Tat entschuldigt, wie sie doch sonst bei jeder Kleinigkeit um Verzeihung gebeten hatte?
    Es gab keine Antworten, sosehr Ebba auch grübelte. Also setzte sie ihren Rundgang fort.
    Im Schlafzimmer Bettwäsche mit Katzenmotiv. Auf dem Nachttisch ein gerahmtes Foto: kleine schwarze Katze vor der Hintertür des Hauses. Daneben, wie Inken prophezeit hatte, diverse Ratgeber zum Thema Trauer, Traumata, Neurosen, Zwangshandlungen, Überwindung von Höhenangst, aber auch ein Lehrbuch über Platzangst und über Kontrollwahn. Zwischen den Seiten steckten kleine Zettel, außerdem hatte Rosie Randbemerkungen geschrieben, als würde sie die Schriften für eine wissenschaftliche Arbeit nutzen.
    Ebba nahm sich vor, die Bücher später gründlicher durchzusehen und mit den Texten im Computer zu vergleichen. Was, wenn es sich nicht um Abschiedsbrief-Entwürfe handelte, sondern Rosie in Wahrheit an einem Buch zur Verarbeitung ihrer Ängste geschrieben hatte? Fast jeder tippte doch heutzutage dank Word an einem Buch, warum nicht auch Rosie?
    Ein Ratgeberbuch vielleicht. Das würde zu ihrer Bemerkung über den Arzt passen, den sie kennengelernt hatte. Das Phantom. Wo war er? Wo war der Hinweis auf ihn, den die Polizei übersehen hatte? Im Badezimmer trugen sogar die Handtücher Katzenaufdrucke. Ebba ging den Inhalt des Spiegelschranks ebenso sorgfältig durch wie die Truhe mit der Schmutzwäsche, auch wenn sie nicht wirklich mit einem Erfolg rechnete. Die Spurensicherer hatten laut Asmus alles gründlich nach Haaren und Hautpartikeln oder sonstigen DNA -Spuren durchkämmt – was sollte sie da noch finden?
    Aber verdammt, auch Profis konnten etwas Offensichtliches übersehen. Zum Beispiel ein Foto von Rosie mit Katze, das ja nur ein Dritter hatte aufnehmen können, ein doppeltes Kino-Billett, eine Restaurantrechnung für zwei, eine Hotelbuchung für ein Doppelzimmer, eine Telefonnummer. Ebba rief sich ins Gedächtnis, was Rosie gesagt hatte, als sie sie Weihnachten auf den geheimnisvollen Freund ansprach, dessen Existenz sie ihr ja selbst verraten hatte. »Das war ein Versehen … Ich darf nicht darüber reden, sonst …«, hatte sie gestammelt, und dann war es mysteriös weitergegangen, als sie androhte, nach Schleswig zu kommen. »Es ist kompliziert.«
    Sie hatte Rosie auf den Kopf zugesagt, dass »er« wohl verheiratet

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