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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Schule und was es sonst noch gibt?«
    Da kommt mir plötzlich eine Erklärung in den Sinn: Wenn Hélène mit siebzehn Jahren aus den verschiedensten Gründen nicht wollte, daß jemand von ihrem Kind erfuhr, dann hätte doch nur ihre Mutter es als ihres ausgeben müssen … Aber ja! Offensichtlich kommt keiner meiner genialen männlichen Begleiter auf diese Idee. Gassin nimmt sein Handy und wählt eine Nummer:
    »Ja, hallo, ich bin’s. Hol dir doch mal die Akte Siccardi aus dem Archiv … Ja, genau. Die durchforstest du dann nach Hinweisen auf Max Siccardi. Wenn du nicht fündig wirst, ruf in Marseille an, es ist dringend … Ja, ruf mich an, sobald du etwas hast.«
    Wütend beendet er das Gespräch.
    »Wo waren wir stehengeblieben?»
    »Bei meiner Begegnung mit Hélène. Wir fanden uns auf Anhieb sympathisch, denn wir fühlten uns etwas verloren, kamen beide aus einem schwierigen Elternhaus, uns verband sehr viel, und als sich dann Virginie ankündigte, wollte sie das Kind nicht behalten, doch ich habe sie dazu überredet, ich dachte, ein Kind könnte sie über den Verlust hinwegtrösten … Wenn ich es nur hätte vorhersehen können, mein Gott, wenn ich es nur geahnt hätte …«
    Gassin hüstelt nervös.
    »Fahren Sie fort.«
    »Also, Virginie wurde geboren und alles lief ganz gut, bis Hélène Paul traf. Damals arbeitete er in Marseille.«
    »Was, er auch?«
    »Ich schwöre Ihnen, dafür kann ich nichts. Pauls Frau war an Krebs gestorben, und er zog allein seinen zweijährigen Sohn groß, Renaud. Hélène und er lernten sich in der Bank kennen, er arbeitete dort am Schalter. Paul, sehr jung, sehr temperamentvoll, verliebte sich in diese junge, verzweifelte, selbstmordgefährdete Frau … Er hoffte, daß sie ihm helfen würde, seinen Sohn aufzuziehen … Wenn er gewußt hätte …«
    »Und was passierte dann?«
    »Na, was glauben Sie? Hélène fühlte sich sofort zu ihm hingezogen. Ein zuverlässiger, normaler Mann, der Geborgenheit ausstrahlt. Sie ließ es sich nicht nehmen, mir von ihrer Affäre zu erzählen. Aber sie konnte sich nicht zwischen uns entscheiden. Also, alles lief weiter wie bisher, abgesehen davon, daß ich trank wie ein Loch, denn ich ertrug es nicht, daß Hélène mit Paul schlief, und manchmal machte sie mir auch angst. Aber ich war verrückt nach ihr. Sie war wie eine Droge für mich: Sie erinnerte mich ständig an die Vergangenheit, an die Schmerzen der Vergangenheit.«
    Er spricht schnell und abgehackt, als hätte er mehr Bilder in seinem Kopf als Worte dafür, um sein Leid zu erzählen.
    »Sie teilte mit mir das Geheimnis der Schläge, der blauen Flecken, das Gefühl, ein Objekt zu sein, dem alles widerfahren kann, egal, wann: Wenn du schläfst, wenn du ißt, jederzeit kannst du geschlagen werden, der Gürtel auf dich herniedersausen, dich peitschen, dir die Haut aufreißen, jederzeit kann sich die Schranktür hinter deiner Angst, deinen bepinkelten Beinen, deinem Hunger schließen … Haben Sie schon mal tagelang nichts zu essen bekommen?«
    »Tut mir leid, nein«, sagt Gassin. »Und was passierte dann?«
    »Als die Polizei mich verdächtigte, hat sie sich von mir getrennt, ich bat sie, mir zu helfen, ich habe ihr gesagt, daß ich sie liebe, daß es vor ihr in meinem Leben noch nie jemanden gegeben habe, aber sie meinte, es sei vorbei, sie liebe mich nicht mehr …«
    Er holt tief Luft:
    »Sie willigte ein, Paul zu heiraten, der Virginie als seine Tochter anerkannt hatte, und sie gingen weg. Paul war in eine andere Filiale versetzt worden. An all das mußte ich in meiner Gummizelle denken. Es ist dumm, aber ich dachte, daß Hélène Virginie weh tun könnte, aber ich war nicht in der Lage, mir vorzustellen, daß sie dieses Kind aus unserem Viertel hätte töten können. Kurz und gut, ich beschloß auszubrechen und Virginie wiederzufinden. Ich nutzte meine Freigänge, um nach ihnen zu suchen, und ich fand sie, indem ich ganz einfach Telefonbücher durchblätterte. Ich mußte mich durch die Telefonbücher aller Départements wühlen, aber ich habe sie gefunden. Ich bin hierhergekommen, habe mir bei Stéphane Migoin Arbeit auf einer seiner Baustellen besorgt und festgestellt, daß er Hélène gut kannte. Es war merkwürdig, in ihrer Nähe zu wohnen … Manchmal sah ich Virginie im Park, mit Paul Fansten. Sie nannte ihn Papa … Ich wollte mich nicht einmischen, lediglich ein Auge auf sie haben. So kam ich dadurch in gewisser Weise auch zu einer Familie. Doch ich glaube, daß ich völlig

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