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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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zurückgekommen?«
    »Das weißt du genau. Ich mußte Virginie sehen.«
    »Du bist vollkommen verrückt! Ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen, Elise. Es war einmal ein junger Mann, der einen kleinen Sohn hatte. Im Alter von acht Jahren wurde dieser Junge von zwei völlig ausgeflippten Jugendlichen ermordet. Der Vater ist nicht darüber hinweggekommen und durchgedreht, hat seine Frau verlassen. Er konnte keine kleinen Jungen mehr sehen, die seinem ähnelten, ohne nicht den unwiderstehlichen Drang zu verspüren, sie zerstören zu wollen. Seine zweite Frau hat bemerkt, was los war, und wollte gehen. Er hat ihr den Arm gebrochen. Und dann hat er die Tat wirklich begangen. Er wurde verurteilt. Sie ist nach Paris geflohen, um ein neues Leben anzufangen. Aber ihm gelang die Flucht aus dem psychiatrischen Krankenhaus, und er folgte ihr, um seine Mission zu erfüllen: Töten, immer wieder, immer wieder.«
    »Eine schöne Geschichte. Leider entspricht sie nicht der Wahrheit … Und, Elise, was sagst du dazu?« fragt Tony-Yssart mit müder Stimme.
    »Elise? Was Sie nicht wissen, Elise, Sie sehen mir sehr ähnlich: Sie haben dieselbe Größe, dieselbe Figur, dieselbe Haarfarbe, sind derselbe Frauentyp. Er hat sich auf sie gestürzt, weil Sie mich in gewisser Weise verkörpern und weil Sie eine enge Bindung zu Virginie haben, und Virginie Bescheid weiß!«
    »Du lügst! Sie weiß nichts!«
    »Aber doch, natürlich, sie weiß alles. Was glaubst du denn?« Hélène lacht bitter. »Schließlich ist sie meine Tochter …«
    »Hélène, leg die Waffe weg …«
    »Nie! Ich werde dich verschwinden lassen, Tony, dich beseitigen wie ein gefährliches Tier, denn genau das bist du ja. Ich werde dich töten.«
    Nein! Nein, Hélène, tu das nicht! Dazu haben wir kein Recht! Ich hebe den Arm und öffne und schließe frenetisch die Hand.
    »Zu spät, Elise, es gibt keine andere Lösung.«
    Doch. Wir müssen die Polizei holen. Selbst wenn Mercier verrückt ist, hat er ein Recht auf einen ordentlichen Prozeß. Ich spüre an ihrer Stimme, daß Hélène bereit ist abzudrücken. Was soll ich tun?
    Ich höre, wie der Hahn gespannt wird. Ich möchte ›nein‹ schreien.
    »Wenn du abdrückst, wirst du Virginie nie Wiedersehen«, ruft Tony.
    »Was erzählst du da?«
    »Hast du geglaubt, ich würde unvorbereitet hierherkommen? Virginie ist an einem Ort, wo sie nicht entkommen kann. Wenn du mich tötest, wird sie an Hunger, Kälte und Durst sterben. Denn niemand außer mir weiß, wo sie ist. Da sie geknebelt ist, kann sie nicht schreien.«
    »Du lügst!« brüllt Hélène.
    »Ich habe sie von der Schule abgeholt. Ich habe ihr gesagt, daß ich mit Paul arbeite, und sie hat mir geglaubt. Sie ist mitgegangen. Wenn du mich umbringst, wird sie sterben.«
    »Du Schwein! Du wagst es, dein eigenes Kind zu knebeln und zu fesseln!«
    »Drück doch ab!« meint Mercier provozierend.
    »Wo ist sie?« schreit Hélène.
    »An einem kalten Ort, wo sie Angst hat und ganz allein ist. Reicht dir das?«
    »Schwein!«
    »Wirf die Waffe weg!«
    »Niemals!«
    Gib nicht nach, Hélène, oder er wird uns beide töten. Und wenn ich mit meinem Rollstuhl auf ihn zufahren würde? Er würde vielleicht stürzen. Ich muß mich konzentrieren, um ihn genau zu lokalisieren.
    »Ich werde dich trotzdem töten. Ich glaube, daß du bluffst«, entscheidet Hélène.
    »Ruf doch in der Schule an, du wirst ja sehen.«
    »Hier gibt es kein Telefon.«
    »Da.«
    Er wirft ihr etwas zu, vermutlich ein Handy, denn ich höre, wie sie eine Nummer wählt.
    »Hallo, hier ist Hélène Fansten, ich werde etwas später kommen, um Virginie abzuholen … Was? Sie haben sie gehen lassen? Aber Sie sind ja total verrückt!«
    Ein dumpfes Geräusch, vermutlich hat sie das Telefon zu Boden geworfen.
    »Okay, du Schwein, wo ist sie?«
    »Wirf die Waffe weg.«
    »Ganz bestimmt nicht. Weißt du, was ich machen werde? Ich werde auf deine Beine zielen, dir ein Bein nach dem anderen zerschießen, dann die Arme …«
    »Und dann reißt du mir die Augen aus?«
    »Hör mir gut zu: Wenn du mir nicht sagst, wo Virginie ist, schieße ich auf Elise, hörst du?«
    Was? Also nein, aber …
    Ich höre Tony seufzen, dann sagt er müde:
    »Bei Benoît Delmare.«
    Mein Herz wird bleischwer. Benoît? Mein Benoît? Ich werde langsam wahnsinnig. Was hat Benoît mit der Sache zu tun?
    Jemand ergreift meinen Rollstuhl.
    »Danke Tony, und adieu …«
    Ein ohrenbetäubender Knall. Ein Geräusch nach Sprengstoff und Pulver. Das dumpfe

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