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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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jetzt machen? Ich will nicht hierbleiben. Es ist, als hätte man mich in Benoîts eisiges Grab gestoßen.
    Ich muß hier raus. Den Rollstuhl so drehen, daß ich die Tür vor mir habe. Ich drücke auf den Knopf und fahre gegen die Tür, immer wieder, immer wieder gegen diese verfluchte Tür, bis das ganze Haus zusammenläuft. Los, kommt alle raus! Bumm! Ich werde die Tür einschlagen.
    Sie öffnet sich.
    Mein Magen krampft sich zusammen.
    Leise schließt sie sich wieder.
    Hélène? Ein dumpfes Geräusch, als würde sich jemand hinsetzen. Bewegt sich zu meiner Linken etwas? Ich atme zu laut, so kann ich nichts hören.
    Man will mich zum Wahnsinn treiben. Ich wende, fahre im Zimmer herum, wer versteckt sich in der Dunkelheit? Rumms, das war der Tisch. Ich fahre rückwärts, und dann spüre ich es. Beine. Beine in einer Hose. Auf dem Sofa sitzt jemand. Ich schreie innerlich, fahre noch weiter rückwärts. Noch ein Paar Beine, ohne Hose, Beine in Nylonstrümpfen. Das darf nicht wahr sein. Das kann nicht wahr sein. Ich fahre weiter am Sofa entlang zurück und spüre wieder Beine. Dünnere. Kürzere.
    Sie sitzen alle drei auf dem Sofa. Und ich weiß sofort, wer es ist, o ja, ich weiß, es sind Paul, Yvette und Virginie. Ich stelle mir vor, wie sie dasitzen, ihre leeren Augen auf mich gerichtet, tote, offene Augen, die ins Nichts starren. Aber wie ist es möglich, daß Hélène sie nicht gesehen hat?
    Atemgeräusche. Irgend jemand atmet. Ich nähere mich den Sitzenden. Es kostet mich übermenschliche Kraft, aber ich hebe den Arm und fasse sie an. Ich berühre sie. Taste über die leblosen Körper. Der erste regt sich nicht. Er ist kalt. Ein klebriges Hemd. Ich streiche über ein Krokodil auf der linken Seite. Paul. Es ist Paul, und er ist tot. Der zweite Körper bewegt sich auch nicht, ist aber noch warm. Ich spüre eine Wolljacke, Yvette. Ohnmächtig. Der dritte Körper ist auch warm. Ich strecke die Hand aus und berühre die Brust. Schallendes Gelächter:
    »Bravo, Elise!«
    Mir wird schwarz vor Augen.

14
    »Elise, du mußt mich losbinden! Schnell!«
    Wer spricht da zu mir? Wo bin ich? Ich will nicht aufwachen, will nicht dieses dünne, hohe Stimmchen hören. Ich will nicht hier sein!
    »Elise, bind mich los, sonst sind wir gleich alle beide tot. Renaud sagt, daß es eilt!«
    Na und? Ich dachte, es sei toll, tot zu sein! Hast du es dir anders überlegt? Bin ich jetzt total verrückt geworden? Das ist wohl nicht der geeignete Zeitpunkt, um mit einem Kind abzurechnen! Vor allem deshalb nicht, weil die arme Kleine neben Pauls Leichnam sitzt und gefesselt ist – wahrscheinlich von ihrem eigenen Vater. Aber warum in Benoîts Wohnung? Diese Frage quält mich wie ein bohrender Schmerz. Keine Zeit, darüber nachzudenken. Ziel Nummer l: Wir müssen hier raus. Wenn ich es schaffe, Virginie loszubinden, kann sie die Tür öffnen und mich befreien, aber wir müssen schnell machen.
    »Ich bin so müde …«
    Also, ich nicht.
    »Wie willst du mich denn frei bekommen?«
    Wenn ich das nur wüßte … Ich nähere mich ihren Beinen, taste sie ab, bis ich die Nylonschnur an ihren Knöcheln spüre. Ich bin nicht geschickt genug, den Knoten zu lösen, er muß ganz klein und ganz eng zusammengezogen sein, und außerdem kann ich meine Finger nicht so bewegen, wie ich es möchte. Ich fahre rückwärts mit meinem Rollstuhl und versuche, nicht gegen den großen Ledersessel zu stoßen, in den Benoît sich so gerne zum Lesen setzte. Wenn ich mich nicht irre, befindet sich die Küche zu meiner Linken und die Tür ungefähr einen halben Meter seitlich vom Sofa. Ich fahre ein Stück vorwärts.
    »Elise! Wohin willst du? Ich bin hier!«
    Ich hebe beschwichtigend den Arm. Da. Ich müßte mich genau vor der Tür befinden, ich fahre ganz langsam, so ist es gut, noch ein Stück, ich stoße irgendwo an, dem Geräusch nach ist es der Herd. Ich mache mit dem Rollstuhl eine Drehung und fahre an der Geschirrspülmaschine entlang, stop. Ich befinde mich jetzt neben der Arbeitsfläche. Ich hebe den Arm und taste die Fläche ab. Komme ich mit der Hand bis an die Wand? Ja. Eigentlich müßte dort eine Stange sein, an der Benoîts Messer hängen. Da ist sie. Ich spüre einen runden Griff, umschließe ihn mit der Hand und hebe den Arm. Ich hab’ es! Das Fleischermesser. Benoîts großes Fleischermesser. Ich packe das Fleischermesser und fahre zurück ins Wohnzimmer. Ich bin schweißgebadet.
    »Ich glaub’, ich schlaf gleich wieder ein.«
    Kommt überhaupt nicht in

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