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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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läge ich in einem Bett und es röche nach Desinfektionsmittel. Wo sind die anderen? Ich lausche. Nichts. Meine Kopfschmerzen werden von Sekunde zu Sekunde schlimmer, ich muß eine riesige Beule am Hinterkopf haben, dort, wo ich ein Pulsieren spüre. Wenn mir doch jemand zu trinken geben würde. Oder mit mir sprechen, mir erklären würde, was geschehen ist …
    Es riecht nach Holz. Als befände ich mich in einem Holzhaus. In einem Landhäuschen? Aber was zum Teufel hätte ich in einem Landhäuschen verloren? Mein Onkel wohnt in einer modernen Villa. Außerdem würde ich bei ihm Lärm hören.
    Gehen wir noch einmal alles durch: Wir waren auf dem Weg, um Virginie abzuholen. Dann hatten wir einen Unfall. Vielleicht haben uns Leute gefunden und mitgenommen. Sehr schweigsame Leute, Stumme zum Beispiel. Oder ich bin die einzige Überlebende. Mist. Das kann nicht sein.
    Ich drücke auf den Knopf, der Rollstuhl bewegt sich langsam vorwärts. Das Geräusch kenne ich, ich fahre über Holzboden. Bums, eine Wand. Ich fahre drei Sekunden rückwärts, bums, eine andere Wand. Ein kleiner Raum. Wo man sich nur drei Sekunden lang mit dem Rollstuhl fortbewegen kann, ohne auf eine Wand zu stoßen. Offenbar gibt es hier keine Möbel. Stehe ich in einem Flur?
    »Machen Sie sich keine Sorgen, es ist alles in Ordnung!«
    Aah! Ein eisiger Schrecken durchzuckt mich, bis ich Yvettes Stimme erkenne.
    »Hélène kommt gleich.«
    Und Paul? Warum spricht sie nicht von Paul? Warum erklärt sie mir nichts?
    Ich spüre etwas an meinen Lippen. Ein Glas. Wasser. Danke, meine gute Yvette. Ich trinke lange. Das Wasser schmeckt eklig, aber es tut mir dennoch gut. Ich bin so müde. Ich möchte, daß Yvette mir erklärt … Und diese Kopfschmerzen, mein Kopf wird immer größer … und größer …
    Warum sehe ich nichts? Ich möchte die Augen öffnen. Meine Lider zittern. Die Augen sind offen, aber es ist dunkel. Durst, ich habe noch immer furchtbaren Durst. Habe den Eindruck, dick geschwollene Lippen zu haben. Yvette hat mir etwas zu trinken gegeben. Yvette. Der Unfall. Ich sehe nichts, weil ich blind bin. Für einen kurzen Augenblick hatte ich das vergessen, ich fühlte mich ein Jahr zurückversetzt, als ich noch unversehrt war. Ich hebe den Arm. Es scheint niemand da zu sein. Ich sitze noch immer in meinem Rollstuhl. Mein Nacken schmerzt, er ist ganz steif. Ich bin wahrscheinlich eingeschlafen. Wie gerne ich mich hinlegen würde. Ich habe Wasser getrunken und bin eingeschlafen. Und die anderen? Ich hebe noch einmal den Arm. Sie können doch nicht alle verschwunden sein!
    »Alles ist gut.«
    Schon wieder Yvette, aber ich habe sie gar nicht kommen hören. Will sie mich zu Tode erschrecken, oder was? Dabei hat sie doch sonst einen so lauten Gang!
    »Ich werde uns einen schönen Kuchen backen.«
    Aber ich will deinen blöden Kuchen nicht! Wo sind Paul und Hélène? Ich will wissen, was geschehen ist!
    »Ich habe Ihrem Onkel Bescheid gegeben.«
    Sehr gut, aber was hast du ihm gesagt? Und diese verfluchten Kopfschmerzen, je mehr ich mich aufrege, desto schlimmer werden sie, als hätte ich einen Kessel im Gehirn, den ein verrückter Heizer unbarmherzig vollschaufelt. Ein Unmensch, hopp, noch eine Schaufel voll Kohle, und hopp, der Schädel dampft und brodelt; wenn ich nur die Arme bewegen könnte, ich würde mir Yvette schnappen und sie schütteln, bis sie mir sagt, wo wir sind.
    »Paul hat angerufen.«
    Paul? Ist er denn nicht bei uns? Oder meint sie, daß er jemanden angerufen hat? Um Hilfe zu holen? Yvette! Ich hebe den Arm und balle mehrmals die Faust. Siehst du mein Signal nicht?!
    »Paul hat angerufen.«
    Ich weiß, ich bin ja nicht taub. Yvette, um Himmels willen, so streng dich doch etwas an. Mein Gott, sie ist vielleicht verletzt, liegt halbtot zu meinen Füßen am Boden …? Nein, ihre Stimme klingt unverändert, sie stöhnt nicht, es ist ihre ganz normale Stimme.
    Normal, nicht einmal gereizt. Und wenn … nein, unmöglich, doch … wenn Yvette verrückt geworden wäre? Diese merkwürdige Art, ganz ruhig kurze Sätze zu sagen … Sie hat vielleicht einen schlimmen Schock erlitten. Eine grauenvolle Vorstellung: Hélène und Paul sind tot oder liegen im Sterben. Yvette hat mich in eine Hütte an der Straße gebracht, aber sie ist durchgedreht. Sie glaubt, wir wären zu Hause, geht ihrer Arbeit nach, und wir werden hier verrecken, ich in meinem Rollstuhl und sie, während sie so tut, als würde sie kochen …
    Aber sie geht ihrer Arbeit nicht nach,

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