Im Dunkeln der Tod
ganz heimlich seinen Umzug nach Stockholm vorbereitet hatte und sich außerdem mit gestohlener Kunst befasste, dann ist es doch hochinteressant, dass zwei Kunsthändler aus Stockholm die Vernissage an dem Tag besucht haben, an dem Wallin ermordet wurde, oder?«
Kihlgård stopfte sich eine Handvoll Weingummis in den Mund.
Knutas spürte, wie seine Verärgerung wuchs. Dass er aber auch keine fünf Minuten mit Kihlgård zusammen sein konnte, ohne von dem Kollegen zur Weißglut getrieben zu werden!
»Das ist der nächste Schritt. Wir sollten zuerst auf die Auskunft aus Stockholm darüber warten, was die Vernehmung von Sixten Dahl ergeben hat.«
Er griff nach seinen Papieren und erhob sich, um klarzustellen, dass die Besprechung beendet sei.
Knutas brauchte Luft.
Sein Magen schrie vor Hunger, es war schon lange nach Mittag. Das vertrocknete belegte Brötchen, das er sich mittags gekauft hatte, hatte Knutas nicht sättigen können, aber er hatte einfach keine Zeit für Dinge wie Essen. Er musste Mattis Kalvalis und seinen Galeristen vernehmen, ehe die beiden nach Litauen zurückkehrten.
Knutas spritzte sich auf der Toilette Wasser ins Gesicht und schob sich eine Pfefferminzpastille in den Mund.
In der Rezeption warteten die beiden schon auf ihn. Er war dem Künstler bisher nicht persönlich begegnet, sondern hatte ihn nur auf Bildern gesehen. Mattis Kalvalis wirkte in der Wache gelinde gesagt fehl am Platze.
Das Aufsehenerregendste an ihm waren seine schwarzen Haare, deren Pony neongrün gefärbt war. An seinem einen Ohr hing eine lange Kette, und er trug eine rote Lederhose und ein Jackett im selben leuchtenden Grünton wie der Pony. Dazu trug er hellblaue Baseballstiefel, wie Knutas sie als Junge selber gehabt hatte.
Sein Galerist, der neben ihm saß, war das genaue Gegenteil. Vigor Haukas sah aus wie ein russischer Grubenarbeiter, mit kräftigem Körperbau und groben Zügen, Pelzmütze mit Ohrenklappen und einer dunkelblauen Steppjacke. Seine Hand war schweißnass.
In stockendem Schulenglisch brachte Knutas einige Begrüßungsfloskeln vor, dann führte er die beiden hinauf in die Kriminalabteilung. Glücklicherweise war die Besprechung der Ermittlungsleitung schon vorüber, und er winkte Karin zu sich, die bisher mit Kihlgård beim Kaffeeautomaten gestanden hatte.
Die beiden Litauer lehnten Kaffee ab und ließen sich auf Knutas’ Gästesofa nieder. Knutas ließ Karin, die besser Englisch sprach als er, die Vernehmung leiten, während er selbst zuhörte und die beiden Männer beobachtete. Es hatte durchaus seine Vorteile, einfach dabeizusitzen. Er konnte jede Veränderung des Gesichtsausdrucks bei einer Frage sehen, und er registrierte, wenn der Vernommene einen unsicheren Blick bekam.
Karin schaltete das Tonbandgerät ein und begann mit den üblichen Phrasen.
»Can I smoke?«, fragte der Künstler und fischte zugleich eine Zigarette aus einer zerknüllten Packung in seiner Jackentasche.
»I’m afraid, no.«
Der magere, originell gestylte Mann ihr gegenüber hielt mit der halbwegs zum Mund gehobenen Zigarette inne und steckte sie wieder in die Packung, ohne eine Miene zu verziehen.
Karin musterte das bleiche junge Gesicht mit den schönen Zügen und den tiefen Furchen. Dunkle Schatten lagen unter den Augen. Mattis Kalvalis schien seit mehreren Tagen nicht geschlafen zu haben. Er fühlte sich auf Knutas’ Zweisitzer neben seinem korpulenten Galeristen sichtlich unwohl.
Nach den Standardfragen nach Namen und Adresse wandte Karin sich dem Künstler zu.
»Wie gut haben Sie Egon Wallin gekannt?«
Mattis Kalvalis zögerte mit der Antwort.
»Na ja, eigentlich nicht besonders gut. Rein professionell haben wir uns gut verstanden, aber begegnet sind wir uns nur einige Male.«
»Wie haben Sie einander kennengelernt?«
»Das muss vor einem Jahr gewesen sein«, sagte der Künstler mit einem Blick auf seinen Galeristen, der zustimmend nickte. »Ja, im vorigen Frühling war das, in Vilnius. Da war er bei einem Kongress, glaube ich.«
Wieder sah er den Mann neben ihm an, der die Lippen schürzte und nickte.
»Und wie haben Sie ihn dabei kennengelernt?«
»Wir saßen am selben Tisch, bei einem Essen, das die litauische Kunstförderung arrangiert hatte. Er hatte meine Werke gesehen, ja, ich stellte gerade in einer kleinen Galerie in Vilnius aus, und er sagte, sie gefielen ihm. Am nächsten Tag haben wir uns dann zum Mittagessen getroffen, und er bot an, in Skandinavien als mein Galerist zu
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