Im Dunkeln der Tod
sah. Apropos Dandy. Erik Mattson trug einen Nadelstreifenanzug, ein eisblaues Hemd und unter seiner eleganten Weste einen Schlips in derselben Farbe. Seine zurückgekämmten Haare waren dunkel, er hatte klare Züge und eine aristokratisch geschwungene Nase. Er lächelte in die Kamera, ein leicht ironisches, etwas überlegendes Lächeln. Der klassische Dandy, dachte Johan. Er schaute auf die Uhr. Es war jetzt zu spät zum Anrufen, bei Bukowskis war schon Feierabend. Es musste bis zum nächsten Morgen warten. Er seufzte und setzte Kaffeewasser auf, während die Gedanken ihm durch den Kopf wirbelten.
Wer war Erik Mattson eigentlich? Hatte er irgendeine Beziehung zu Gotland?
Er wusste nicht, wie er auf diese Idee gekommen war, aber sie blieb sofort in seinem Kopf haften. Er schaute noch einmal auf die Uhr. Viertel vor neun. Nicht zu spät zum Anrufen. Anita Thorén meldete sich direkt.
»Hallo, hier spricht Johan Berg von den Regionalnachrichten. Verzeihen Sie die späte Störung, aber ich habe eine Frage, die einfach nicht warten kann.«
»Worum geht es denn?«, fragte sie freundlich.
»Sie vermieten doch Ferienhäuser. Wie lange machen Sie das schon?«
»Seit wir das Haus in den Achtzigerjahren übernommen haben. Ja, das sind jetzt fast zwanzig Jahre.«
»Haben Sie irgendein Verzeichnis Ihrer Gäste?«
»Sicher, ich habe immer Buch über sie geführt.«
»Haben Sie dieses Verzeichnis zur Hand?«
»Ja, ich hab es hier im Arbeitszimmer.«
»Haben Sie einen Moment Zeit? Könnten Sie es holen?«
»Aber sicher. Das Buch muss hier irgendwo liegen. Einen Moment.«
Das Buch, dachte Johan. In welchem Jahrhundert lebt die Frau denn wohl? Hat sie noch nie von Computern gehört?
Nach ungefähr einer Minute war sie wieder da.
»Ja, hier hab ich es. Ich notiere alle Mieter – Namen, Adresse, Telefonnummer, wann und wie sie bezahlt haben, und wie lange sie geblieben sind.«
»Sie haben diese Angaben nicht im Computer?«
»Nein«, sagte sie und lachte. »Ich weiß, dass das altmodisch ist. Aber ich habe es immer so gemacht. Wir vermieten doch seit zwanzig Jahren, und ich finde es ein wenig nostalgisch, noch etwas auf die alte Weise zu machen, wenn Sie verstehen, was ich meine?«
Johan verstand das sehr gut. Seine Mutter hatte gerade erst angefangen, SMS zu verschicken, obwohl er seit Jahren versucht hatte, es ihr beizubringen.
»Könnten Sie mir einen Gefallen tun?«, fragte er.
»Ja, das wird wohl möglich sein«, sagte sie unsicher.
»Können Sie nachsehen, ob irgendwann ein Erik Mattson ein Haus gemietet hat?«
»Sicher, aber das kann eine Weile dauern. Wie gesagt, ich muss zwanzig Jahre durchsehen.«
»Lassen Sie sich ruhig Zeit.«
Eine Stunde darauf rief Anita Thorén zurück.
»Das ist wirklich seltsam. Kaum hatte ich mit Ihnen gesprochen, da rief eine Karin Jacobsson von der Polizei an und wollte dasselbe wissen.«
»Ach was?«
»Ja, jedenfalls habe ich Erik Mattson hier gefunden. Sogar mehrere Male.«
Johans Mund war wie ausgedörrt.
»Ja?«
»Zum ersten Mal hat er das Haus im Juni 1990 gemietet – vor fünfzehn Jahren also. Rolf de Marés Haus. Für zwei Wochen, vom 13. Juni bis zum 26. Zusammen mit seiner Frau Lydia Mattson und ihren drei Kindern. Deren Namen habe ich auch, David, Karl und Emelie Mattson.«
»Und die anderen Male?«
»Das zweite Mal war zwei Jahre später, im August 1992, aber da waren die Kinder nicht dabei.«
»War er allein?«
»Nein, er war zusammen mit einem Mann.«
»Haben Sie auch den Namen dieses Mannes?«
»Sicher. Er hieß Jakob Nordström.«
»Und das letzte Mal?«
»Das war vom 10. bis 25. Juli im Jahr danach. Abermals zusammen mit Jakob Nordström. Und sie haben jedes Mal dasselbe Haus gemietet, Rolf de Marés Haus.«
Die Erkenntnis, dass er fähig war, einen anderen Menschen umzubringen, war ihm an jenem Samstag im November gekommen. Zwei Sekunden hatte er gebraucht, um seinen Entschluss zu fassen. Und wie sehr wünschte er sich, dieser kurze Moment wäre ihm erspart geblieben. Die Bilder, mit denen er für den Rest seines Lebens würde leben müssen.
Zuerst hatte er dem Mann, dem sein Interesse galt, nicht folgen wollen, aber dann hatte er einem Impuls gehorcht. Er wollte nur kurz an der Galerie vorbeifahren. Er wusste noch immer nicht, wie er mit seinem neuen Wissen umgehen, was er damit anfangen sollte. Er wollte es erst einmal ruhen lassen, ehe er sich zu seinem nächsten Schritt entschloss. Aber dann kam es anders. Vielleicht war
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