Im Dunkeln der Tod
Tür herum. Als er vorüberlief, ahnte er drinnen eine Gestalt. Offenbar wollte der Junge diesem Mann Gesellschaft leisten.
Überall gab es Bildschirme und Pornofilme. Er fragte sich, wo Malmberg steckte. Ob er jetzt wohl gerade zufrieden in einer solchen Zelle saß? Diese Vorstellung ekelte ihn.
Ein Mann kam aus einem Verschlag und strahlte ihn an. Der Mann sagte nichts, aber seine Körpersprache verriet deutlich, was er wollte. Er lief weiter.
Das hier glich nichts, was er je zuvor gesehen hatte. Die Gänge zogen sich wie in einem Labyrinth dahin, und bald wusste er nicht mehr, aus welcher Richtung er gekommen war. Es gab nur diese Zellen und überall flackernde Bilder.
Ihm wurde zunehmend schwindlig, und er sehnte sich hinaus, wollte fort von hier. Versuchte, den Weg zurück zu finden und lief mit raschen Schritten in die Richtung, die seiner Ansicht nach zur Treppe führen musste. Aber das erwies sich als Irrtum. Er landete vor einer Tür am Ende des Ganges, durch die Stöhnen drang. Vorsichtig schob er sie weit genug auf, um hineinsehen zu können. Dahinter verbarg sich ein kleinerer Kinosaal. Die hintere Querseite wurde von einer Leinwand eingenommen, über die die gleichen Bilder flackerten, die er bei seinem kurzen Besuch schon auf hunderten von Bildschirmen gesehen hatte. Alles war in Schwarz gehalten, Wände, Decke, Boden, Ledersofas und Sessel.
Zuerst sah er nur drei Körper, die sich in voller Aktivität auf dem Sofa vor der Leinwand befanden. In einem davon konnte er sofort Malmberg erkennen. Dann sah er das Gesicht eines anderen Mannes, der vielleicht fünfzig Jahre alt sein mochte. Das Gesicht kam ihm bekannt vor, er konnte es aber nicht unterbringen. Das Gesicht des Dritten war nicht zu sehen. Er war jünger, und die beiden älteren Männer beugten sich über ihn. Alle waren nackt, und keiner registrierte seine Anwesenheit. Sie waren viel zu sehr ineinander vertieft.
Ihn überkam ein Gefühl der Unwirklichkeit – als spiele die Szene da vor ihm sich in Wirklichkeit gar nicht ab.
Als er sich gerade umdrehen und verschwinden wollte, sah er das Gesicht des Dritten.
Zwei Sekunden. Länger brauchte er nicht, um ihn zu erkennen. Rasch schob er die Tür zu. Dann blieb er eine Weile an die Wand gelehnt draußen stehen. Der Schweiß strömte ihm über die Schläfen. Er hätte schreien mögen.
Auf steifen Beinen lief er durch die Gänge zurück und konnte stolpernd den Ausgang finden. Wich dem Blick des Mannes hinter dem Tresen aus.
Auf der Straße kniff er im hellen Licht die Augen zusammen. Eine Frau mit Kinderwagen kam vorbei. Das Alltagsleben ging ganz normal weiter. Als er die Straßenecke erreicht hatte, musste er sich übergeben. Nicht nur, wegen dessen, was er eben gesehen hatte, sondern auch wegen der Tat, die ihm nun bevorstand.
AM FREITAGMORGEN schnappte Karin sich Knutas, sowie er auf der Wache erschien. Ihre Augen brannten vor Eifer.
»Du, ich habe etwas verdammt Interessantes entdeckt. Ich habe gestern Abend versucht, dich anzurufen, aber da hat sich niemand gemeldet.«
»Komm rein.«
»Ich habe mich über Hugo Malmberg informiert, und hör dir das an.«
Sie ließ sich auf Knutas’ Besuchersofa fallen.
»Er wohnte allein in einer tollen Wohnung in der John Ericsonsgata auf Kungsholmen und war seit ewigen Jahren Mitbesitzer dieser Galerie in der Österlånggata. Er war homosexuell, und ich hatte gedacht, dass er das immer schon gewesen sei, aber das stimmt gar nicht. Er war einmal verheiratet mit einer Frau namens Yvonne, aber die ist schon lange tot. Sie starb 1962, das ist also über vierzig Jahre her, und rate mal, woran sie gestorben ist?«
Knutas schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.
»Sie starb im Kindbett, genauer gesagt auf der Wochenstation des Krankenhauses von Danderyd.«
»Und das Kind?«
»Das war ein Sohn. Er überlebte, wurde aber fast sofort zur Adoption freigegeben.«
Knutas stieß einen Pfiff aus.
»Und damit nicht genug.«
»Ach?«
»Weißt du, wer mehrmals Rolf de Marés Haus draußen in Muramaris gemietet hat?« Sie redete weiter, ohne auf eine Antwort zu warten. »Dieser Taxator von Bukowskis, Erik Mattson.«
Johan hatte ein ausgebuchtes Wochenende vor sich. Am Freitag flog er mit der ersten Maschine nach Stockholm. Um zehn Uhr hatte er bei Bukowskis einen Termin mit Erik Mattson. Danach wollte er mit seinem jüngsten Bruder zu Mittag essen, und im Anschluss hatte der Nachrichtenchef um eine Besprechung gebeten. Dazwischen musste er noch eine
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