Im Dunkeln der Tod
ebenfalls überwacht. Man weiß ja nicht, ob er nicht dorthin zurückkehrt.«
SVERKER SKOGLUND WAR EIN alter Schulkamerad von Egon Wallin, sie waren bis zur Oberstufe in eine Klasse gegangen. Danach hatten ihre Wege sich getrennt. Sverker war zur See gefahren und hatte viele Jahre im Ausland verbracht. Als er dann nach Gotland zurückkehrte, hatten sie nicht mehr viele Gemeinsamkeiten. Aber sie hielten noch immer Kontakt, und wenn sie sich einmal trafen, hatten sie das Gefühl, sich erst gestern zuletzt gesehen zu haben.
Sverker war schockiert von Egon Wallins brutalem Tod und fand es entsetzlich, dass sein Jugendfreund ein dermaßen gewaltsames Ende gefunden hatte. Die Beerdigung hatte er verpasst, weil er gerade auf einer Bohrinsel in Nordnorwegen auf Schicht war und sich nur freinehmen konnte, wenn es um nahe Familienangehörige ging.
Jetzt aber war er wieder zu Hause und wollte Egons Grab besuchen. Der Norra-Friedhof war verlassen, als er dort eintraf. Sverkers Auto war das einzige auf dem Parkplatz.
Der Fußweg, der auf das eigentliche Friedhofsgelände führte, war sorgfältig geräumt und von vielen Füßen flachgetreten, sicher Egons wegen, dachte Sverker. Um diese Jahreszeit war der Friedhof sonst sicher nicht so üppig besucht.
Egon Wallin war in einem Familiengrab bestattet worden, das schon aus der Ferne zu sehen war. Seine Familie war vermögend, das zeigte bereits die Größe des Steins. Auf der Spitze thronte ein Kreuz. Jede Menge Kränze und Blumen lag vor dem Grabstein und zeugten davon, dass die Beisetzung noch nicht lange her war. Nach dem Schneefall der vergangenen Nacht war das meiste unter einer weißen Schneedecke versteckt, aber hier und da leuchteten die Blumen hindurch, und Sverker konnte unter dem Schnee die Konturen der Kränze ahnen.
Gerade als er den Fußweg betreten hatte, der zum die Grabstätte umgebenden Zaun führte, lugte die Sonne hervor. Er blieb für einen Moment stehen und ließ sich von den Strahlen das Gesicht wärmen. Solche Stille. Solcher Friede.
Zögernd ging er weiter. Wer war Egon eigentlich gewesen? In seinen Augen erschien er als einfacher Mensch. Nie hatte er Egon anmerken können, dass er viel Geld hatte. Egon sprach nicht darüber. Nur, wenn sie zusammen essen gingen, bestand er immer darauf, die Rechnung zu übernehmen. Aber er betonte seinen Wohlstand nicht weiter. Er wohnte weiterhin im Reihenhaus, obwohl er sich leicht eine größere, luxuriösere Villa hätte leisten können.
Sverker fragte sich, was seinem alten Freund wirklich widerfahren war. War er einem Irren über den Weg gelaufen, der einfach jeden umgebracht hätte? War er durch Zufall ermordet worden, oder hatte es einen Grund gegeben, war mit dem Mord eine Absicht verbunden gewesen?
Er hatte nun die Grabstätte erreicht. Vor dem Grabstein waren die Kränze aufgereiht, und zuerst sah er nur sie. Seine Blicke glitten über Kranzschleifen, Blumen und Grüße. Plötzlich entdeckte er auf dem gefrorenen Boden etwas. Ihm sträubten sich die Nackenhaare. Unter einem dicken Kranz mit rosa und weißer Schleife, der vom Visbyer Kunstverein stammte, ragte eine Hand aus dem Schnee. Es war eine Männerhand mit gekrümmten Fingern. Sverker Skoglunds Blick wanderte Millimeter um Millimeter weiter, und er hielt dabei den Atem an. Der Mann lag auf dem Bauch neben dem Grabstein, die Arme an die Seiten gepresst. Er war bis auf die Unterhose nackt und teilweise vom Schnee bedeckt. Sein Körper war übersät von Blutergüssen und Wunden. Um seinen Hals lag eine Schlinge.
Schneller, als er geahnt hatte, war Sverker Skoglunds Frage beantwortet worden. Es gab offenbar eine klare Absicht.
UM VIERTEL NACH EINS wurde bei der Polizei von Visby Alarm gegeben. Zwanzig Minuten später stiegen Knutas und Karin am Friedhof aus dem Auto, dicht gefolgt von Sohlman und Wittberg. Mehrere Streifenwagen waren unterwegs. Knutas sprang aus dem Wagen und lief mit langen Schritten auf das Grab zu.
»Verdammt«, sagte er. »Wir wissen wohl, wer das ist.«
Sohlman holte ihn ein und erreichte den Leichnam als Erster. Er bückte sich und untersuchte die Körperteile, die aus dem Schnee ragten.
»Er ist übersät von Verletzungen, durch Zigaretten hervorgerufenen Brandwunden und Spuren von Misshandlungen. Der arme Teufel ist vor seiner Ermordung offenbar gefoltert worden.«
Er schüttelte den Kopf.
»Ist das Hugo Malmberg?«
Knutas ließ den Blick über den geschundenen Männerkörper gleiten.
»Wir werden wohl nachsehen
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