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Im Dutzend phantastischer

Im Dutzend phantastischer

Titel: Im Dutzend phantastischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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Brücke balancierte, die mich in Richtung Wahnsinn führte.
    Vielleicht war ich nie ein Mensch gewesen, nie ein Mann, sondern nur ein schizophrener Gedanke, der sich selbst den Namen Wilhelm gab, weggeworfen von einem Schriftsteller oder einem Irren. Vielleicht war ich irre – der Irre?
    Passt alles.
    >Vielen Dank für deine Hilfe.<
    Gerne.
    >Warum rieche ich nichts? Ich müsste nach Verwesung oder übrig gebliebenem Schweiß vom Schlaf stinken. Ich weiß, dass ich mich schlafen gelegt hatte, obwohl es draußen schon hell geworden war.<
    Kann schon sein.
    Ich versuchte, mir den gestrigen Tag in Erinnerung zu rufen. War es gestern gewesen?
    Sicher nicht.  
    Es kommt mir aber so vor. Ich war nach Hause gegangen und ins Bett gefallen, nachdem ich mit Christine die Nacht verbracht hatte.
    458-459-460-461-462-463-464 …
    >Hör endlich mit dieser Zählerei auf! Das macht mich wahnsinnig.<
    Ein Lachen zuckte durch mein Gehirn.
    Bist du das nicht längst? Wenn ich deinen Gedanken lausche, glaube ich nicht, dass du noch lange bei Verstand sein wirst. Und da wärest du nicht der Erste. Stört aber keinen.
    >Wer? Von wem redest du?<
    Wirst du schon noch merken.
    Ja, mit einem hatte Wilhelm recht: Ich musste wahnsinnig sein. Ich hatte im Krieg viele Momente des Wahnsinns erlebt, viele Augenblicke, in denen ich mich alleine gefühlt und im Stillen gebetet hatte, aber nie hatte ich so mit mir selbst geredet.
    Hier schon. Das liegt daran, weil du nicht mit dir redest, sondern mit mir.
    Die Verzweiflung krallte sich in mein Gehirn fest, sie zwang mich zu schreien. Wie ein Verrückter. Ich wehrte mich nicht dagegen, bis ich, völlig erschöpft, nur noch weinte – so glaubte ich, aber wo waren meine Tränen, die meine Haut benetzen müssten? Wo war meine Haut?
    Wilhelm seufzte.
    >Was ist?<
    Wenn du Glück hast, dauert es nicht mehr lange, dann werden zumindest ein paar deiner Fragen beantwortet. Zufrieden wirst du sicherlich nicht sein.Vielleicht musst du mir auch noch unendliche Jahre Gesellschaft leisten. Ich liege hier schon ewig rum. Wenn ich es aber so recht überlege, sind bisher alle vor dir mit der Zeit verschwunden. Also wird das bei dir auch nicht mehr so lange dauern.
    Eine lange Rede für eine Stimme in meinem Kopf, die wirrer sprach, als ich dachte – nein, ich dachte ja.
    Also, nochmal: Ich heiße nicht Wilhelm und bin nicht in deinem Kopf.
    >Wer willst du dann sein?<
    Das wirst du nicht glauben, darum muss ich es dir auch nicht sagen.
    >Feigling.<
    Ein Held bin ich sicherlich nicht. Feige? Das mag der ein oder andere so sehen.  
    >Okay, okay. Ich bin tot, und wo bin ich dann? In der Hölle?<
    Wilhelm seufzte. Nein, bestimmt nicht.
    >Also gut, wenn du alles zu wissen scheinst: Wo sind wir?<
    In welcher Zeit wir uns jetzt im Augenblick befinden, kann ich dir nicht sagen, denn ich schlafe manchmal sehr lange, und wenn ich erwache, befinden sich Typen wie du in meiner Umgebung, mit denen ich kommunizieren kann. Ich bin mir sicher, dass SIE nicht ahnen, dass wir dazu fähig sind, allerdings kann es genauso gut sein, dass SIE wollen, dass wir miteinander sprechen und auf Informationen hoffen.  
    >Informationen? Was für Informationen?< Wilhelm antwortete nicht auf meine Frage, sondern sprach weiter:
    Du stammst aus dem Jahre 1945. Kriegsende, wenn ich mich richtig erinnere. Ich traf hier schon auf Gleichgesinnte, die 100 Jahre vor und ebenso viele nach dir gelebt haben. Ich selbst stamme aus deiner Zukunft, deiner Gegenwart und deiner Vergangenheit, so könnte ich es wohl umschreiben. Du glaubst es nicht, das ahne ich, aber zumindest hältst du mal den Mund.
    Die Stimme in meinem Kopf, die vehement behauptete, nicht in diesem zu sein, beruhigte mich. Ich   lauschte ihr und versuchte meine Augen zu öffnen, meine Arme zu bewegen, meine Beine zu heben. Vergebens. Es schien als wäre mein Körper von allem abgeschnitten und es seien nur Phantomarme und -beine, die ich glaubte zu spüren.
    Vor kurzer Zeit lernte ich einen jungen Mann kennen, er war hier keinesfalls freiwillig. Seine Reise, so erzählte er mir, trat er im Jahre 2024 an.
    Nun musste ich lachen. Wilhelm ignorierte mich.
    Nicht, weil ihm das Jahr besonders gut gefiel oder weil er getötet wurde. Sein Gehirn erlitt einen Schlag durch ein ihm nicht bekanntes, seit Jahren bestehendes Blutgerinnsel, was seine gesamten Körperfunktionen stoppte und ihn auf die Reise schickte. Gnädigerweise lag er, wie du, schlafend im Bett und bemerkte nichts davon, bis er hier

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