Im eigenen Schatten
inzwischen die ersten Auswertungen der Telefonate der Beteiligten eingetroffen sind«, sagte Laurenti leise. »Wenn zwei der Räuber mit den zerstrittenen Geschäftspartnern zu tun hatten, haben wir zwei Verdächtige mehr. Oder sind es gar drei?«
»Du glaubst doch nicht, dass Professor Moser den Sprengstoff am Flugzeug angebracht hat?«, sagte Marietta und rutschte trotz des kurzen Rocks, der sich um ihre Schenkel spannte, geschickt vom Barhocker.
»Geistig wie körperlich ist er prächtig in Form. Und als Physiker kennt Moser sich vermutlich auch mit Sprengstoff aus.«
Laurenti legte ein paar Münzen auf den Tisch und führte seinen Kollegen von der Guardia di Finanza am Ellbogen aus der Bar. Erst mitten auf der Piazza della Borsa machten die beiden halt. Hier konnte sie niemand mehr belauschen.
»Dazu kommt noch, dass dieser Anwalt auch der Geliebte von Spechtenhausers erster Frau zu sein scheint.«
»Also hast du noch eine Verdächtige mehr«, sagte Dedeo.
»Wenn Malannino darauf stößt, bin ich den Fall los. Auch nicht schlecht.« Laurenti klang wenig überzeugend.
»Warum solltest du dir das Leben schwermachen?«
»Die müssen einen Raubzug aufklären und haben dafür unbegrenzte Mittel zur Verfügung. Ich musste sogar einen Kollegen an sie abtreten, obgleich ich den Mord an dem Beraubten am Hals habe, der vorher verübt wurde. Was würdest du denn tun, Enrico?«, fragte Laurenti, der sich einbildete, die Antwort seines Kollegen bereits zu kennen. Doch er sollte sich täuschen.
»Überlass die Sache den anderen«, sagte Dedeo gleichgültig. »Was bringt es dir, einen Fall mehr oder einen weniger aufgeklärt zu haben?«
»Nächstenliebe. Wir erledigen die Arbeit, damit die Sonderkommission anschließend die Lorbeeren einstreicht.«
Trotz der Spätschicht vergangene Nacht war Pina Cardareto schon im Büro, als Marietta und Laurenti eintrafen. Sie hatte dicke Ringe um die Augen und war aschfahl im Gesicht. Anstatt zu schlafen, waren ihre Gedanken um Galimberti und seine Mandanten gekreist. Um sieben hatte sie trotz aller Müdigkeit nichts mehr im Bett gehalten, am Küchentisch hatte sie sich an ihren Laptop gesetzt und im Internet Zeitungsarchive und Suchmaschinen nach dem Namen des Anwalts durchstöbert. Über die Strafprozesse gegen Robert Unterberger oder die beiden Brüder Johann und Ignaz Pixner gab es viele Einträge, auch Spechtenhauser tauchte häufig auf. Doch dann stieß sie in einer Schweizer Tageszeitung auf einen Igor Agim, der auch auf verschiedenen kroatischen Websites zusammen mit dem Ermordeten genannt wurde. Sie hatte die Seiten ausgedruckt, um sie einem sprachkundigen Kollegen vorzulegen.
Inzwischen wusste Pina Bescheid. Der Streit zwischen den Geschäftsmännern war um den Einfluss bei der Goldschmiede Aurum gegangen. Agim, gebürtiger Kroate und Schweizer Staatsbürger, hatte Spechtenhauser Bilanzfälschung vorgeworfen und das in Zagreb vor Gericht gebracht. Er behauptete, bei der Inventur betrogen worden zu sein. Die Lagerbestände an Feingold seien um siebenunddreißig Prozent zu niedrig bewertet worden, was seinen Teil an der Gewinnausschüttung brutal verringerte. Einen ersten Vergleichsvorschlag hatte Agim abgelehnt, das Verfahren schwebte noch immer. Spechtenhauser hingegen hatte ihm im Gegenzug Untreue vorgeworfen, er habe einen Teil seines Vermögens von Agims Treuhandgesellschaft in Innsbruck verwalten lassen und herbe Verluste erlitten. In beiden Fällen tauchte wieder Anwalt Galimberti auf, der im Fall Aurum jedoch mit einer kroatischen Partnerkanzlei zusammenarbeitete. Nach Laurentis Worten war er dazu noch der Liebhaber von Donna Rita und hatte angeblich auch ein Verhältnis mit einer der Töchter des Südtirolers. Dieser Mann saß fett wie eine Spinne im Netz. Die Inspektorin warf eine Skizze seiner Verbindungen aufs Blatt und brachte sie zur Abteilungssitzung mit.
Laurenti stieß einen leisen Pfiff aus, als sie es ihm vorlegte. »Also hat er mich belogen, als er behauptete, nicht in die Geschäfte der Goldschmiede eingeweiht zu sein. Übrigens hat Kollege Battinelli in der Sonderkommission die Wege Unterbergers anhand der Funkzellen verfolgt, in die sich sein Mobiltelefon in den Monaten vor dem Raub einloggt hat. Der letzte Standort war die Antenne in Prosecco in der Nacht zum Sonntag vor dem Absturz. Hatte Galimberti etwa bei dem Mord die Hand im Spiel? Ein Anschlag auf seinen Brötchengeber?«
»Du meinst, er könnte Unterberger beauftragt haben, das C4
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