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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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populistisch, sobald es ums Absahnen ging, drohten mit dem Anschluss an Österreich, und Rom und Wien bezahlten. Und Brüssel melkten sie so meisterhaft, dass andere neidisch wurden. Sogar für den Erwerb von Geranien zur Verschönerung der Dörfer sollte es laut Zeitungsberichten Zuschüsse geben. Noch immer lebten einige der früheren Bombenleger im nahen Österreich, weil sie keinen Fuß nach Italien setzen durften, wo sie lange Haftstrafen abzusitzen hätten, jenseits der Grenze aber blieben sie unbehelligt.
    »Hatte Spechtenhauser damit zu tun?«
    »Unsinn. Zu jung. Er wurde 1944 geboren, Laurenti. Auch wenn er der Bewegung viel Sympathie entgegenbrachte und seine politische Karriere darauf aufbaute. Senator in Rom war er bis 1992, obgleich er längst hier auf dem Karst wohnte. Unserer Firma haben seine Beziehungen durchaus geholfen. Aber was seinen Tod betrifft, schließe ich einen politischen Hintergrund aus. Das ist zu lange her.«
    »Was dann?« Laurenti staunte über die Gelassenheit seines Gegenübers und seine scheinbare Offenheit und Unbefangenheit, dank derer er ein Thema nach dem anderen auf den Tisch blätterte.
    »Ich habe bereits erwähnt, dass sich unsere Wege vor langem getrennt haben. Über seine aktuellen Geschäfte weiß ich nur am Rande Bescheid.«
    »Können Sie sich wirklich nicht vorstellen, wer ihm nach dem Leben trachtete? Kaum jemand kannte ihn besser als Sie, Professore.«
    »Ich werde darüber nachdenken, Commissario.«
    »Und der Goldraub gestern Vormittag? Steht der in irgendeinem Zusammenhang? Immerhin ein herber Schlag für sein Imperium.«
    »Das Imperium steckt das weg wie einen Schluck Hustensaft. Für das Gold muss entweder die Versicherung aufkommen oder das Werttransportunternehmen. Und so, wie sich der Goldpreis zurzeit entwickelt, wird da auch noch ein Geschäft daraus!«
    »Endlich einmal ein neues Motiv, Moser.«
    Der Professor lächelte verhalten. »Donna Rita, seine erste Frau, und die Zwillinge werden die Unternehmen nahtlos weiterführen. Es kann nur um ihn allein gegangen sein.«
    »Die anderen Geschäfte also, Professore? Frühere oder aktuelle? Was glauben Sie?« Laurenti hörte das Schlagen der Kirchturmuhr im nahen Dorf. Er zählte sechs Schläge der hellen Glocke.
    »Wir sprachen vom Faktor Zeit. Haben Sie davon genügend, Commissario? Spechtenhausers Geschichte ist nicht kurz.«
     
    Xenia hatte Laurenti am Samstagvormittag vergeblich zu erreichen versucht und schließlich mit Laura verabredet, dass die beiden zum Abendessen nach Grado kommen sollten. Das Meer sei vergangene Nacht großzügig gewesen, der Grill im Garten stünde bereit. Nur Mückenmittel sollten sie mitbringen.
    »Aber bitte erspart Zeno und mir eure Dienstgespräche«, hatte Laura gesagt. »Oder redet wenigstens Klartext, sodass auch wir Normalsterbliche folgen können.«
    Proteo und Laura waren schon um neunzehn Uhr in den Ortsteil Grado Pineta eingebogen und der Via delle Pleiadi bis ans Ende gefolgt. Den Aperitif wollten sie während eines Ausflugs mit dem Motorboot nehmen, dabei noch einen Sprung ins Meer machen und erst mit dem Sonnenuntergang zurückkommen. Die Ebbe hatte den Tiefststand erreicht, mit Seegras überwucherte Sandrücken hoben sich aus dem Wasser, Schilfbüschel ragten heraus, und unzählige Kitesurfer nutzten die Brise. Wie die Berserker schossen sie auf den vom Gleitschirm gezogenen Brettern so dicht an ihnen vorbei, dass die Gischt ins Boot spritzte, das Xenia behutsam durch die Fahrrinne hinaus in tiefere Gewässer steuerte. Proteo Laurenti zog die Flasche Spumante aus der Kühltasche und schenkte ein.
    »Letzte Nacht sind wir zum Fischen rausgefahren. Xenia liebt das. Im Winter geht sie sogar allein. Die Weite des Meeres tut ihr gut. Nicht wahr, Schatz?«, sagte Zeno. In der Aussprache des jungen Mannes mit dem kurzgeschnittenen schwarzen Haar und dem dunklen Teint schwang unverkennbar die Melodie des Mezzogiorno mit.
    »Und hattet ihr Glück?« Das Paar scheint sich gottlob wieder einmal versöhnt zu haben, dachte Laurenti.
    »Und wie! Ihr werdet sehen. Jetzt beginnt die Saison der Makrelen. Und eine Zahnbrasse von zwei Kilo haben wir auch gefangen«, berichtete Zeno stolz. »Und dann die Telline. Das Wasser ist zwar noch ein bisschen frisch, aber drüben vor der Punta Sdobba kaum einen Meter tief, und in der Nacht ist auch kein anderer da, der stört. Du spürst die Muscheln schon unter den Füßen, fährst horizontal mit einer Art Rechen durch den Sand und ziehst

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