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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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als hätte er seine Gedanken erraten. »Damit beginnt man den Tag, den Espresso können Sie danach trinken. Wo waren wir gestern stehengeblieben? Ach ja, die Zeit. Zeit ist das höchste Gut, mein Lieber. Sie zu haben beinhaltet alles.«
    »Spechtenhauser hatte sie nicht«, sagte Laurenti trocken und schaute zu einer Linde hinüber, deren sich öffnende Blüten einen betörenden Geruch verströmten. Aus allen Bäumen und Sträuchern drang Vogelgezwitscher. An den Stämmen waren Nistkästen befestigt, die geschäftig angeflogen wurden.
    »Franz hatte Zeit im Überfluss. So viel, dass er nicht damit aufhörte, immer mehr Vermögen anzuhäufen, obgleich er es nicht mehr brauchte. Das war sein Ein und Alles.«
    »Und welche Geschäfte machte er? Soweit ich weiß, sind Sie sein Teilhaber, Professore.«
    »Wir besitzen die gleichen Anteile an einem Unternehmen, das wir in den Siebzigern gegründet haben. Die Sonar Communications Bozen Washington SpA, ein führendes Unternehmen der Kommunikationstechnologie. Franz betreibt aber noch eine Menge anderer Geschäfte und hält Beteiligungen, über die ich nicht Bescheid weiß. Er führt sie unter dem Dach der Spechtenhauser Capital, der Familienholding.« Der alte Mann sprach, als lebte sein Kompagnon noch. »Unsere Wege außerhalb der Sonar haben sich irgendwann getrennt. Ich mochte seine Methoden nicht.«
    »Welche Methoden?«
    Moser lächelte überlegen. »Mit der Frage habe ich gerechnet. Und damit haben Sie sich auch verraten, mein Bester. Gibt es etwas, das ich noch nicht weiß? Rücken Sie schon raus damit.«
    »Neulich sagten Sie, dass er ein hervorragender Flieger war und über die besten Flugzeuge verfügte.«
    »Die Maschinen parken im Hangar des Sportflughafens von Prosecco. Im Sommer nahm Franz am liebsten den himmelblauen Fiat-C.R.20-Doppeldecker aus dem Jahr 1931. Er hatte ihn in der Tschechei aufgetrieben und von Grund auf renovieren lassen. Ein Flugzeug, von dem nur zweihundertfünfzig Exemplare gebaut wurden. Wassergekühlter V12-Zylinder-Motor mit vierhundertzehn PS und einem Tank, der für den Flug nach Bozen und zurück ausreicht. Die Läufe der beiden 7,7-Millimeter-Maschinengewehre musste er allerdings zuschweißen lassen. Sein Exemplar trägt groß die Nummer 17 auf den Flügelenden. Außerdem steht im Hangar noch eine Fiat C.R.32, die er dem Erben eines Piloten abgehandelt hatte, der dem Heimwehr-Fliegerkorps der Ersten österreichischen Republik angehörte. Sie wird, soweit ich weiß, noch renoviert. Sonst flog Franz eine zweimotorige Reims-Cessna mit sechs Sitzplätzen und einer Reisegeschwindigkeit, die größeren Distanzen angemessen war.«
    »Und mit der er abstürzte«, bemerkte Laurenti. »Wohin wollte er fliegen? Eine längere Strecke?«
    »Keine Ahnung.« Der Spaltkopf zuckte die Achseln. »Sie müssen wissen, Commissario, früher, als wir noch freundschaftlich miteinander verkehrten, legte er gut und gern hundertfünfzigtausend Kilometer im Jahr mit dem Auto zurück. Irgendwann aber hatte er von den überfüllten Autobahnen die Nase voll. Und damit kommen wir wieder auf den Faktor Zeit: Zum Erreichen des ökonomischen Maximums müssen Geschwindigkeit und Entfernung in einer bestimmten Korrelation zueinander stehen. Ab einer gewissen Distanz ist fliegen günstiger, selber fliegen. Und jetzt raus mit der Sprache, Commissario.«
    »Es war kein Unfall, Professore.« Laurenti entging nicht, wie das gesunde Auge des Alten ihn schlagartig zu durchbohren schien und sein Gesichtsausdruck sich einen Moment verhärtete.
    »Was Sie nicht sagen, Laurenti. Er war ein erfahrener Pilot.« Moser nahm schnell wieder seine entspannte Haltung ein.
    »Er wurde abgestürzt. Kaum, dass er zwölfhundert Meter Flughöhe erreicht hatte. C4, Sprengstoff, meist im militärischen Gebrauch. Fällt Ihnen dazu etwas ein, Moser?«
    Der Alte zuckte lächelnd die Schulter. »Nein, Laurenti. Oder sagen wir besser, vieles und nichts zugleich. Es ist ein Plastiksprengstoff. Wir haben damals Semtex verwendet.«
    »Kein großer Unterschied.« Laurenti hob die Brauen. »Wer ist wir?«
    »Wir Deutsche in Südtirol. Bei den Attentaten in den fünfziger und sechziger Jahren gegen die italienischen Besatzer. Die Bumser, wie sie genannt wurden, verwendeten meist C3 oder Semtex. Keine Sorge, ich hatte nichts damit zu tun.«
    Natürlich wusste Laurenti von den Sprengstoffanschlägen, mit denen Sezessionisten sich einst von Italien wegbomben wollten. Selbst heute zündelten noch manche

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