Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
sie einfach raus.«
    »In Wahrheit war nur ich im Wasser, für Zeno ist es noch zu kalt«, ergänzte Xenia spöttisch, schaltete den Außenborder ab und ließ das Boot ausgleiten. »Unter vierundzwanzig Grad erfriert er. Seine Badesaison ist von Ende Juni bis September.«
    »Telline? Die Alten behaupten, dass diese Muscheln sich erst in den Achtzigern in der nördlichen Adria breitgemacht haben. Wie auch immer, in sauberen Gewässern vermehren sie sich rasch.« Laurenti leckte sich die Lippen. »Lange nicht gegessen.«
    Laura steckte den Fuß ins Wasser. »Warm würde ich es auch noch nicht nennen.«
    »Etwa zwanzig Grad.« Xenia, leerte ihr Glas, zog das T-Shirt über den Kopf und sprang hinein.
    »Ich habe heute früh um fünf bereits in einem ungeheizten Swimmingpool geschwommen«, sagte Laurenti. »Nichts gegen das Meer.« Er ließ sich hintenüber ins Wasser fallen.
    Laura glitt vorsichtig von der Badeleiter hinein.
    Nur Zeno blieb im Boot und legte nicht einmal sein Hemd ab. Der Spott der anderen war ihm sicher.
    »Mein Liebster ist Sizilianer«, sagte Xenia und strich ihm zärtlich über das getrimmte schwarze Haar. »Heißblütig, aber nicht unverfroren. Dafür ein großartiger Koch. Wo wart ihr eigentlich an meinem Geburtstag? Wisst ihr, wie er die Gerichte für mich taktvoll genannt hat? Das Menü der Verschütteten.«
    Zeno grinste über das ganze Gesicht.
    »Besser als Kaiserschnitten.« Laurenti kannte Xenias sarkastischen Humor. »Was gab’s denn?«
    »Riesenberge hat dieser Wahnsinnige aufgefahren.« Xenia lachte hell, und das Blitzen in den Augen verriet den Stolz auf ihren Lebensgefährten. »Die wildesten Konstruktionen hat er aus den Zutaten gebaut. Und sobald man eines der Gebilde auch nur antippte, brach es ein. Keine Ahnung, wie er das gemacht hat. Das Pinzimonio stand auf Stelzen, die Parmigiana hatte er wie eine Pyramide aufgeschichtet, und das Fritto misto erst … Jedes Mal musste ich als Erste zugreifen, während die Gäste sich auf meine Kosten amüsierten. Dieser Kerl ist schlicht verrückt.« Sie umschlang Zeno mit ihren langen Armen.
    »Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Aber es war der Tag von Patrizias Abreise.«
    »Was?« Xenia machte Augen. »Wohin? Ihr Baby ist doch gerade erst ein Jahr alt.«
    Sie startete den Außenborder und richtete den Bug des Bootes auf die erste Boje, bei der die Fahrrinne durch das flache Gewässer zum Hafen anfing.
    »Das habe ich ihr auch gesagt.« Laura strich eine lange Strähne ihres nassen Haares hinter das Ohr. »Ein Wahnsinn, mit einem Kleinkind eine Seereise zu unternehmen. Aber Proteo hat ihr zugeraten, und gegen die beiden kommt niemand an. Selbst meine Mutter …«
    »Was hat denn der General dazu zu sagen?« Laurentis Blick flackerte angriffslustig. Seit Lauras Mutter im Haus war, fühlte auch er manchmal Raumnot. Der alten Frau entging nichts, und für alles hatte sie einen Kommentar. Er nannte seine Schwiegermutter nur selten beim Namen, damit konnte er meist die Herrschaftsverhältnisse im Haus wieder ins Lot bringen: »General, Signora Camilla, Urgroßmutter Gnadenlos« und manchmal sogar »friulanischer Duce«.
    »Wenn ich es richtig verstehe«, sagte Zeno, »dann hat Patrizia sich entschieden, Gigi mit seiner Tochter zu begleiten?«
    »In der Tat.« Lauras Stimme war voller Unmut. »Was ist, wenn das Kind mitten in einem Sturm auf hoher See krank wird? Patrizia ist so chaotisch wie Proteo und genauso unbekümmert. Als wäre das die natürlichste Sache der Welt, hat sie ihren Beschluss eine Woche vor der Abreise beim Mittagessen verkündet. Gigis Arbeitsrhythmus als erster Offizier auf dem Containerschiff der Italia Marittima besteht aus vier Monaten Dienst und anschließend zwei Monaten Ferien. Ihr wisst ja, dass Patrizia jedes Mal, wenn der Vater ihres Kindes auf See war, ihm Hörner aufgesetzt hat.«
    »Es ist auch nicht einfach, in ihrem Alter so lange allein zu sein«, unterbrach sie Proteo.
    »Zuerst der arme Kerl von der Forstbehörde, den sie eiskalt abservierte, kurz bevor Gigi zurückkam«, begann Laura ihre Aufzählung. »Die kleine Barbara war gerade vierzehn Wochen alt. In jenem Sommer aber haben sie sich wieder zusammengerauft, und Patrizia schien wie beim ersten Mal bis über die Ohren verliebt zu sein. Kaum aber war der arme Kerl wieder aufgebrochen, schleppte sie einen Raffaele an, einen Medizinstudenten. Gigi kam zurück, und alles lief wieder glatt. Zwei Monate später aber folgte schon der Nächste, Matteo heißt

Weitere Kostenlose Bücher