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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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in Barbian geschickt. Seine Mitschüler verspotteten ihn wegen der Entstellung, doch Gundolf scherte sich kaum um sie. Er lernte eifrig.
     
    »Frühaufsteher sind die besseren Menschen, sie haben mehr vom Tag, Commissario«, sagte Professor Gundolf Moser freundlich und warf ihm ein Handtuch zu.
    Laurenti hatte ihn nach einem nervenaufreibenden Telefonat mit dem Staatsanwalt noch am Abend angerufen. Moser war nicht im Geringsten überrascht und erklärte, dass er jeden Morgen um fünf Uhr auf den Beinen sei. Je früher der Kommissar komme, desto mehr Zeit hätten sie. Und wenn er wolle, könne er seine Badehose mitbringen; zum Tagesbeginn ein paar Längen zu schwimmen, kläre die Gedanken und stähle den Körper.
    Nur selten verzichtete Laurenti im Sommer auf sein morgendliches Bad im Meer. Am liebsten ging er mit Taucherbrille, Schnorchel und Harpune los und blieb, wenn die Termine es zuließen, gut eine Stunde im Wasser der Adria. Er war ein guter Schwimmer, doch Pools mochte er nicht, und noch seltener stand er freiwillig zu früher Stunde auf. An diesem Morgen aber klingelte er bereits um Viertel nach fünf am Tor der Villa, die am Ortsrand von Repen gelegen war.
    Nachdem er einer jungen weiblichen Stimme mit fremdem Akzent seinen Namen in die Gegensprechanlage gesagt und das stählerne Tor sich summend geöffnet hatte, tat sich vor ihm ein langer, mit Platten in Grabsteingröße und aus dem Marmor des Karsts gelegter Weg auf. Er führte vorbei an einer Remise, in der ein Bentley Arnage neben einem AMG Mercedes ML 63 und einem VW Golf standen. Es musste der Alltagswagen Mosers sein. Alle drei Autos trugen zu Laurentis Erstaunen deutsche Kennzeichen. RO für Rosenheim bei München. Sie sich zu merken, war leicht, sie unterschieden sich lediglich in der letzten Ziffer. Vor dem Eingang einer enormen Villa aus den achtziger Jahren erwartete ihn das Dienstmädchen. Die zierliche junge Frau hatte asiatische Züge, sie ging ihm voran über eine riesige Veranda, auf der eine Sitzgruppe für gut und gern zwanzig Personen stand, bis zu einem Weg, der sich im Park hinter dem Haus verlor.
    »Der Professore ist unten am Swimmingpool, Signore«, sagte sie und wies in die Richtung einiger sorgsam beschnittener Büsche.
    Laurenti staunte über das Ausmaß des Grundstücks und beneidete Moser um seine Gärtner, die hier Tag für Tag jeden einzelnen Grashalm mit der Nagelschere trimmten und jedes vom Baum gefallene Blatt entfernten. Zu Hause war das, wenn er die Zeit dazu fand, seine Aufgabe, denn der Schwiegermutter sollten auf Lauras Geheiß alle unnötigen Lasten abgenommen werden, und auch die Kinder hätten Wichtigeres zu tun als Rasenmähen. Er kannte die Ausreden seiner beiden Töchter und seines Sohns auswendig, wenn es darum ging, zu Hause Hand anzulegen. Der Jüngste pflegte als angehender Koch wenigstens seinen Gemüsegarten, obwohl Laurenti die Pflanzen herausgerissen hatte, für die er Marco eigentlich hätte verhaften müssen; bereits eins fünfzig waren die Cannabissträucher hoch gewesen. Ein bisschen Bewegung schadetete nicht, doch Laura fand stets neue Aufträge für ihn: Ecken, die er vergessen hatte, Äste, die abgesägt werden müssten, weil sie den Blick behinderten oder ihr Laub auf die Terrasse mit dem Essplatz vor dem Salon fiel.
    Moser stand im Bademantel vor einem enormen Schwimmbecken und begrüßte ihn mit einem freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. Als Laurenti sich umgezogen hatte, zog der Alte bereits gemächlich eine Länge nach der anderen.
    Das Wasser war kühl. Um sich aufzuwärmen, zog Laurenti die erste Bahn mit aller Kraft durch, dann fand auch er seinen Rhythmus. Einmal rief Moser ihm etwas zu; er wollte wissen, ob der Commissario sich wohlfühle. Die weiteren Bahnen schwammen sie fast synchron. Der alte Mann war prächtig in Form und zeigte keine Ermüdungserscheinungen.
    »Sie schwimmen besser, als ich dachte, Laurenti«, sagte Moser anerkennend. »Hier ist ein Bademantel, und das Frühstück kommt auch, wie ich sehe.«
    Trotz seiner siebzig Jahre war der Hüne durchtrainiert, auch sein blondes Haar war noch voll, unter dem das rechte Auge mit der verschleierten Iris irgendwo in den Himmel starrte. Er führte seinen Gast zu einem gedeckten Tisch, an dem die Asiatin auftrug. Sie war mit einem Elektroauto herbeigefahren, wie Laurenti es aus großen Hotelanlagen kannte. Die Morgensonne gewann bereits an Kraft, als sie Tee einschenkte.
    »Eine Tasse grüner Tee, Laurenti«, sagte Moser,

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