Im eigenen Schatten
Wildkräutern, Butter und Sauerteigbrot nahmen den restlichen Platz ein. Laurenti war keine deftigen Speisen am frühen Morgen gewohnt und hielt sich ans Obst, während sein Gastgeber mächtigen Appetit zu haben schien.
»Ja, natürlich. Franz war seit unserer Jugend mein engster Freund. Später wurden wir erfolgreiche Geschäftspartner. Die Sonar führten wir bis zu seinem Tod ohne Konflikte, die Vorstandsposten dort sind heute solide besetzt – Donna Rita wird jetzt den stellvertretenden Vorsitz des Aufsichtsrats übernehmen. Uns über die Geschäfte und Ziele zu verständigen, war nie ein Problem gewesen. Aber ansonsten hatten wir uns nichts mehr zu sagen. Skrupellosigkeit und Unberechenbarkeit gehen Hand in Hand. Ich bin ein Fanatiker des rechten Winkels, Laurenti. Die Zwillinge konnten nun wirklich nichts dafür.«
»Und wo ist deren Mutter?«
»Paola Righi hieß sie. Das ist noch ein anderes Kapitel, mein Lieber.« Mosers Blick funkelte. »Sie starb vor drei Jahren bei einem Autounfall, drüben im Collio. Gerade mal fünfzig Jahre alt. Nachmittags, bei der Rückfahrt von einem Mittagessen mit irgendwelchen Geschäftspartnern auf seinem dortigen Weingut. Ein Baum auf schnurgerader Strecke. Franz war am Steuer und sturzbesoffen, niemals aber hätte er einen anderen fahren lassen. Magda zog sich im Fond des Wagens nur leichte Verletzungen zu. Eine kleine Narbe am Unterarm ist ihr geblieben. Trudi war im Büro. Dank seiner Prominenz blieb Franz der Alkoholtest erspart. Bei der Beerdigung schien Spechtenhauser dann ziemlich unberührt zu sein. Entweder hatte er es noch gar nicht begriffen, oder es war ihm egal. Möchten Sie noch einen Espresso?«
Laurenti nickte. »Also mangelte es ihm nicht an Feinden, Professore.«
»Wir haben von Zeit gesprochen, Commissario. Seit der Jugoslawien-Geschichte ist zu viel Zeit vergangen. Wenn ihm jemand deshalb nach dem Leben trachtete, hätte er es viel früher erledigt. Und weder Magda noch Trudi haben sich wegen des Todes ihrer Mutter ihrem Vater gegenüber gehässig gezeigt.«
»Andere Geschäfte? Die Goldschmiede in Istrien? Seine Verbindungen nach Kroatien, Slowenien und so weiter?«
»Schauen Sie, Laurenti, die Sache ist recht einfach. Nach der Auflösung Jugoslawiens geriet seine Verurteilung noch mehr in Vergessenheiten. Die Kroaten sehen sich nur als Rechtsnachfolger, wenn es um altes Vermögen geht, die Slowenen genauso wie die Bosnier und Mazedonier, die Serben leiden an partieller Amnesie, der Kosovo will in die Unabhängigkeit und Montenegro befindet sich fest in russischer Hand. Sie kämpfen alle mit anderen Problemen als mit alten Strafsachen, doch für Investoren, die ihnen gefallen, breiten sie ihre Arme ganz weit aus.« Moser machte mit den Fingern eine Bewegung, als zählte er Geld. »Und die behandeln sie gut, solange es sich rechnet. Spechtenhauser kam schon wieder ins Geschäft.«
»Und Sie, Professore?«
»Nennen Sie mir das Motiv, Commissario!« Moser lachte heiter. »Wir haben uns zwar menschlich voneinander entfernt, doch hat er mir persönlich nie etwas Böses angetan. Im Gegenteil, nur vereint konnten wir die Firma zu einem führenden Unternehmen machen.«
»Was produziert eigentlich diese Sonar Communications Bozen Washington SpA?«
»Wir sind weltweit die Nummer eins in Sachen Kommunikationstechnologie.«
»Telefontechnik, Internet?«
»Wir entwickeln Systeme für Regierungen. Unkontrollierter Umgang mit Informationen kann ganze Staaten gefährden.«
Laurenti kratzte sich am Hinterkopf. »Überwachung? Abhörsysteme? Digitale Kommunikationsauswertung?«
Er wusste, dass einige wenige Firmen diesen Markt beherrschten. So hatte ein französisches Unternehmen daran verdient, dem libyschen Tyrannen Gaddafi ein Überwachungssystem zu liefern, mit dem er sein Volk kontrollierte, und nach dem Umsturz damit, die Technologie wieder auszuschalten. Auch in Italien waren private Firmen dick im Abhörgeschäft. Immer wieder drangen geheime Informationen an die Öffentlichkeit. So hatte der Premierminister seine deutsche Kollegin mit einem Ausdruck belegt, die sich nicht einmal die Korrespondenten der großen deutschen Zeitungen in Rom wörtlich zu übersetzen trauten: »La culona inchiavabile«. Als arbeiteten die Journalisten im diplomatischen Dienst oder hätten sich freiwilliger Selbstzensur unterworfen.
Aber selbstverständlich dominierten amerikanische Firmen den Markt des großen Ohres und griffen hemmungslos auf europäische Datenbanken zu.
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