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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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drehen.
    »Trotz all der Offenheit, mit der dieser hagere Hüne diese Geschichten erzählt hat, bleibt er am Ende so undurchdringlich wie sein Blick aus dem gesunden Auge. Diese Südtiroler sind wirklich mit allen Wassern gewaschen«, sagte er abschließend. »Der Spaltkopf hat mir ordentlich zu denken gegeben.«
    »Und was ist eigentlich mit dem Goldraub?«, unterbrach ihn Zeno, und auch Laura horchte wieder auf.
    »Seit wann findet ihr Gefallen an unserem Beruf?«, hakte Xenia ein.
    »Die Nachrichten haben immerhin von einem Jahrhundert-Coup gesprochen.«
    »Es ist ein riesiger Berg, der bewegt werden musste.« Laura breitete beide Arme aus.
    »Ach was, das Volumen ist relativ bescheiden«, erklärte der junge Lehrer. »Das ist nicht wie in ›Goldfinger‹ mit 007. Damals haben sie alle darüber gelacht, weil die Kilobarren aus Fort Knox viel zu groß waren. Das spezifische Gewicht von Gold ist verdammt hoch. Die Menge, die vom Volumen her einem Liter Wasser entspricht, würde über neunzehn Kilo wiegen.«
    »Richtig«, sagte Laurenti. »Das hat man uns in einem Rundschreiben mitgeteilt. Handelsübliche Kilobarren sind noch um ein Drittel kleiner als eine Tafel Schokolade. Das Material, das von der Banca d’Italia kommt und industriell verarbeitet wird, wiegt vierhundert Feinunzen. Das macht in etwa zwölfeinhalb Kilo und ist nicht größer als vier Zigarettenschachteln.«
    »Glaub ich nicht«, sagte Laura verblüfft und überschlug die Menge im Kopf. »Eineinhalb Tonnen Gold entsprächen dann gerade mal vierundzwanzig Stangen Zigaretten.«
    »In diesem Fall waren es einhunderteinundzwanzig Barren. Der Coup wurde mit Insiderwissen und von langer Hand geplant«, sagte Laurenti. »Mehr wissen wir auch nicht. Aber es scheint, dass die Banditen nur auf die richtige Gelegenheit gewartet haben. Eine bessere hätte es in tausend Jahren nicht gegeben. Als hätten sie Spechtenhauser genau dafür umgelegt.«
    »Wie die Hand Gottes«, rief Xenia. »Aber da stimmt was nicht. Hast du nicht gesagt, dass der Leichnam nur vier Tage zuvor zur Bestattung freigegeben wurde? Zu wenig Zeit, es ist reiner Zufall, dass die Trauerfeier auf den Tag des Transports gefallen ist.«
    »Außer es gibt jemanden hinter den Kulissen, der beides zu steuern vermochte«, sagte Laurenti nachdenklich. »Immerhin war es Spechtenhausers Gold, das gestohlen wurde.«
    »Jemand aus der Familie?«, fragte seine Kollegin. »Das käme rasch ans Licht. Ich erinnere mich an andere Fälle. Vor ein paar Jahren kam in Arezzo ebenfalls ein Bagger zum Einsatz, mit dem eine Gang ganz dreist gleich die ganze Hauswand einer Goldschmiede eingerissen und den tonnenschweren Tresor abtransportiert hat. Und in Triest wurde die Besatzung eines Werttransporters ausgeschaltet, als sie vor dem Grenzübertritt die Waffen ablieferten.«
    »Das erbeutete Gold sollte auch damals zu dieser Aurum d.o.o. transportiert werden«, ergänzte Laurenti. »Doch in beiden Fällen wurden die Täter etwas später gefasst. Ein Clan der Camorra. Keine Einheimischen. Wenn es sich wieder um die Neapolitaner handelt, dann halten die uns hier im Nordosten für ziemlich dumm. Sie werden sich wundern.«
    »Vielleicht sind es diesmal ja die Kalabresen«, bemerkte Zeno trocken.
    »Warum geht das Gold eigentlich nach Kroatien?«, fragte Laura.
    »Eine Goldschmiede in Vodnjan, Istrien. Die Lohnkosten dort sind nur halb so hoch. Der Betrieb produziert den Krimskrams, der in Poreč, Rovinj oder auf der Insel Rab den Touristen angedreht wird. Und in den Flughafenshops in halb Europa.«
    »Und ich war der festen Überzeugung, das Zeug würde in Asien fabriziert«, sagte Laura. »Du hast mir übrigens schon ewig keinen Schmuck mehr geschenkt.«

Die Jagd beginnt
     
    Ab Freitagabend liefen die Computer in der Sonderermittlungskommission heiß, deren Schaltzentrale in Windeseile in einem kaum genutzten Hangar des Flughafens Triest/Ronchi dei Legionari eingerichtet worden war. Beamte aus den vier Polizeipräsidien der Region, aus Pordenone, Udine, Goriza und Triest, waren abkommandiert worden, und natürlich hatte die zuständige Abteilung des Innenministeriums eigene Leute delegiert, Spezialisten, die weniger leger gekleidet waren und einen arroganten Umgangston pflegten.
    Der Großteil dieses Stabs kannte sich schon von früheren Sondereinsätzen. Es waren Experten mit Erfahrung in verschiedensten Fachgebieten, bei Auslandseinsätzen und mit Spezialausbildung, die in besonders schweren Fällen zusammengezogen

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