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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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ein, wenn die Banken längst zynisch abwinkten, oder blasierte Filialdirektoren Sicherheiten forderten, die dem Kredit gleichkamen. Spechtenhauser, behauptet der Professor, habe stets bessere Konditionen geboten als die Finanzinstitute. Doch bevor er den Kredit auszahlte, sah er sich die Unternehmen ganz genau an, ließ Grundbesitz und Gebäude erheblich unter dem Marktwert schätzen und mit dem Einverständnis ihrer Eigentümer als Pfand auf seinen Namen registrieren. Danach hieß es für den alten Fuchs nur noch abzuwarten. Unternehmer, die vielleicht wieder auf die Beine kamen, ließ er von vornherein abblitzen. Er verlieh sein Geld nur, wenn er die Pleite innerhalb eines Jahres kommen sah. Und einen zweiten Kredit räumte er nicht einmal mehr dann ein, wenn die Leute sich verzweifelt vor seine Füße warfen.«
    »Ganz schön ausgebufft«, sagte Xenia. »Er hat nicht einmal gegen bestehendes Recht gehandelt. Die Banken haben ihm geradezu in die Hand gespielt. Zeno und ich wären auf ihn reingefallen.«
    »Nur haben wir nichts zu verpfänden«, warf Zeno ein.
    »Dieser Professor Moser ist interessant. Ein kultivierter Mann, der sich fest im Griff hat, sogar bei heiklen Themen ist er ruhig geblieben.« Der Knall des Korkens fiel genau in seine Sprechpause. »Stellt euch vor, selbst als ich ihn trotz aller Skrupel doch nach seiner Entstellung gefragt habe, ist er gelassen geblieben. Er sei zu einer Zeit auf einem ärmlichen Bergbauernhof groß geworden, da der medizinische Standard nicht dem heutigen entsprach. Eines der vielen Missgeschicke seiner Jugend, wie er sagte. Andere trügen die Narben in ihrer Seele, was ihm Gott sei Dank erspart geblieben sei. Als er erklärte, dass es den meisten Menschen peinlich sei, ihn danach zu fragen, obgleich sie ständig das kranke Auge anstarrten, hat er aus voller Seele gelacht. Geschäftlich habe es ihm bisweilen sogar Vorteile gebracht, wenn sein Gegenüber gedanklich mehr mit der Entstellung beschäftigt gewesen sei als mit den auszuhandelnden Details. ›Die Menschen sind so banal‹, hat er fröhlich gerufen. Nach der Verletzung, die er sich als Achtjähriger zugezogen habe, wurde er immerhin zur Schule geschickt. Später machte er eine Mechanikerlehre, holte das Abitur nach, und 1957 wurde er trotz der Behinderung sogar zum Wehrdienst eingezogen. Wir Italiener hätten bei den Südtirolern halt kein Auge zugedrückt, hat er gescherzt. Moser, ein Mann der Berge, verpflichtete sich zur Marine und wurde irgendwann nach Triest geschickt, um ausgerechnet Dienst am Faro della Vittoria zu schieben.«
    Den weißen Leuchtturm hatten die Faschisten als Zeichen des Triumphs errichten lassen, weil dem Königreich Italien nach dem Ersten Weltkrieg die irredenten Gebiete zugefallen waren: Südtirol und Triest. In Bozen stand als Pendant ein monumentales Denkmal auf der Piazza della Vittoria wo die Ordnungskräfte noch heute Neonazis und Neofaschisten auseinanderhalten mussten, wie zerstrittene Cousins.
    »Moser meint, Italien hätte den Südtirolern keinen größeren Dienst erweisen können, als die Region nach dem Ersten Weltkrieg zu annektieren. Immerhin fließen wegen der ethnisch geschürten Spannungen und der Bombenanschläge neunzig Prozent der Steuereinnahmen nicht nach Rom, und die höchsten Immobilienpreise im Land werden in Bozen bezahlt. Die Stadt sei ein idealer Firmensitz, behauptet er, wenn man den Autonomiestatus der Provinz so zu nutzen verstand wie Spechtenhauser. Moser hat ihn bereits beim Militär kennengelernt. Er entstammte einer mittelständischen Familie aus Laas, die nach Kriegsende nicht wie alle anderen darbte, sondern zu ungeahntem Reichtum gekommen war, über dessen Ursprung bis heute spekuliert wird. Böse Stimmen behaupteten gar, dass der Vater mit einer Bande 1944 Gold der italienischen Nationalbank aus der Festung Franzensfeste abgegriffen und ins nahe Graubünden transportiert habe. Franz Spechtenhauser jedenfalls habe stets genügend Mittel gehabt, um sich während seines Militärdienstes von allen lästigen Einsätzen freizukaufen. Und er habe auch die Kapitalbasis zur Gründung des gemeinsamen Unternehmens eingebracht. Und er hat sich zielstrebig in die Politik gestürzt. Als Scharfmacher der Autonomiebewegung im Wahlkreis Meran-Vinschgau war er bis Anfang der neunziger Jahre Senator in Rom. Spechtenhauser war der Kaufmann und der Politiker, Moser der Entwickler mit internationalen Verbindungen.«
    Laurenti ließ sich von Xenia eine Zigarette

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