Im eigenen Schatten
strich sich über den Dreitagebart. Er war der Einzige, der sich erlauben konnte, den Direktor wegen des Feuermals aufzuziehen. »Ihr Bergler taugt einfach nicht für südliche Gefilde. Auf Sizilien würdest du einen Ausbruch des Etna verursachen, so überhitzt bist du.«
»Du halber Araber weißt natürlich nicht, dass sich Rotweinflecken nicht auswaschen lassen. Kettenfett dafür schon. Schade um deine weiße Hose«, konterte der Direktor und zeigte auf Einsteins rechtes Hosenbein. »Ich hoffe, du hast noch eine andere dabei. Titti wird dir beim Windelwechseln sicher behilflich sein.«
Die Mountainbikes, die sie im Hotel ausgeliehen hatten, lehnten an der Wand einer Holzhütte. Der Radweg von Grado zum Naturreservat Isola della Cona war von einzigartiger Schönheit, einen Großteil der siebzehn Kilometer langen Strecke lief er auf einem Deich, von dem die Sicht auf den Golf von Triest und die Lagune frei war. Die beiden Männer hatten gehofft, dass die Osteria neben dem im Schilf gelegenen Anleger der Riserva Caneo wenigstens tagsüber geöffnet war, obgleich noch nicht Hochsaison war. So aber saßen sie auf einem Bänkchen im Schatten einer riesigen Pappel und berieten, wie sie den zweiten Teil ihres Unternehmens beschleunigen konnten.
Die Meldungen aus den Zeitungen und das Abbild dieses Vollidioten namens Johann Pixner zeigten, dass die Fahnder Fortschritte machten. Entgegen der Planung drängte nun die Zeit.
»Wie war’s eigentlich mit deiner alten Flamme? Eine schnelle Nummer im Stehen? Lange warst du nicht bei ihr.«
»Magda wird uns dieser Tage zum Mittagessen zu einem Casone einladen. Alle vier. Und ihr tut’s auch gut, dann denkt sie nicht immer an den Tod ihres Vaters.«
»Davon hat mir einer der Kumpels in Tolmezzo ständig vorgeschwärmt, bis ich ihm einmal fast den Hals umgedreht habe, weil mir immer das Wasser im Maul zusammenlief, sobald er damit anfing. Und außerdem müssen wir dann nicht am Strand herumliegen und das Gekreisch der Kinder anhören. Scheint schwer in Ordnung zu sein, deine Magda. Hoffentlich wird Anita nicht eifersüchtig.«
Die Lagune von Grado galt als die schönste ihrer Art in Italien und verfügte über ein intaktes Ökosystem mit einer reichen Vogelwelt. Unzählige Inselchen durchsetzten sie, die kaum einen Meter über die Wasseroberfläche ragten und auf denen noch die mit Reet gedeckten einfachen Fischerhäuser standen. Manche waren bewirtet und servierten fangfrischen Fisch und kühlen Wein.
»Einstein, wir haben keine Wahl. Wir müssen um eine Woche vorziehen und Dragan Bescheid geben, dass wir bereits heute Nacht verladen.« Robert Unterberger trommelte mit den Fingern aufs Holz. »Meinst du, wir sollten den Anwalt informieren?«
»Der interessiert sich nur fürs Honorar.« Einstein schüttelte entschieden den Kopf. »Das Timing bestimmen wir.«
»Mit dem Kutter braucht Dragan gut und gern fünf Stunden von Rovinj hier hoch.«
»Und um nicht aufzufallen, kann er frühestens um neunzehn Uhr auslaufen.« Salvatore Cassara aktivierte das nächste Mobiltelefon, in dem die SIM-Karte eines slowakischen Betreibers steckte, auf der nur die Nummer des istrischen Fischers gespeichert war.
»Dann ist er um Mitternacht hier. Eine halbe Stunde vorher holen wir die Lieferwagen aus der Scheune. In der Nacht von Sonntag auf Montag ist tote Hose. Auf dem Strässchen nach Fossalon errichten die Bullen zu dieser Zeit ganz gewiss keine Sperre. Die hatten ohnehin schon drei Tage Stress.« Unterberger bröselte die Glut von seiner Zigarette und warf den Filter ins Wasser.
»Und dann weg für immer.«
»Ein bisschen tut es mir um die Weiber leid. Anita hat mich nie verraten.«
»Dann wird’s erst recht Zeit, bevor sie es zum ersten Mal tut.«
Eine Familie mit zwei kleinen Kindern machte nun ebenfalls halt an dem kleinen Hafen. Einstein steckte das Telefon wieder ein und warf seine Kippe der anderen hinterher. Die rosahäutige junge Mutter schenkte ihm einen giftigen Blick, doch den Mut, ihn anzusprechen, brachte sie nicht auf. Vor allem der Rothaarige neben ihm war ihr mit seinem Feuermal so unsympathisch, dass sie ihm alles zutraute. Rasch stiegen sie wieder auf ihre Räder.
Das Telefonat dauerte nicht sehr lange. Nachdem Salvatore Cassara dem Fischer aus Rovinj einen um zehntausend Euro höheren Lohn versprochen hatte, versprach Dragan, am frühen Abend mit zwei Leuten an Bord auszulaufen. Einstein sagte, die genauen Koordinaten erhalte er erst, wenn er nur noch eine halbe
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