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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Stunde von der Küste entfernt war. Das Blinken einer Lichthupe werde ihm später die Position des Anlegers verraten. Und er müsse behutsam durch den engen Kanal navigieren, der seitlich in die flache Flussmündung führte, auf keinen Fall durfte er den direkten Weg nehmen, der zu wenig Tiefgang bot.
     
    »Die Hausdurchsuchung, die Sie gefordert haben, war ein Schlag ins Wasser, Commissario«, säuselte Staatsanwalt Cosimo Lorusso niederträchtig.
    »Ach ja?« Laurenti hatte widerwillig abgenommen, als er die Nummer im Display erkannte.
    »Meines Erachtens haben Sie viel zu lange gezögert«, fügte der Mann entschieden an.
    »Ohne begründeten Anlass hätten Sie kaum zugestimmt, Staatsanwalt. Ich habe keine Sekunde gezögert, als feststand, dass Spechtenhauser ermordet wurde. Aber ich gebe zu, dass ich noch nicht über den Verlauf unterrichtet bin. Derzeit befinde ich mich im Ausland, um mehr über die Geschäfte des Mannes zu erfahren.« Laurenti hielt die Hand aufs Mikrofon. »Er will sich dafür rächen, dass ich ihm das Wochenende versaut habe und seine Frau ihm deswegen aufs Dach gestiegen ist«, flüsterte er Živa zu und verdrehte die Augen.
    »Handeln Sie das nächste Mal besonnener, Commissario. Dass Sie nicht unterrichtet sind, gibt mir zu denken.«
    »Ich werde mich gleich morgen früh darum kümmern. Es braucht seine Zeit, bis das sichergestellte Material überprüft ist. Meine Kollegen im Kommissariat arbeiten ununterbrochen daran. Sie haben nicht einmal mehr Zeit zum Essen.« Er übertrieb schamlos. »Wenn Sie wollen, dann schließen wir eine Wette ab, dass sie bald fündig werden, Herr Staatsanwalt.«
    »In unserem Beruf zählt die Gewissheit, nicht das Glückspiel.«
    »Im Übrigen beantrage ich, dass wir eiligst die Telefonate aller Angehörigen unter die Lupe nehmen. Nicht nur der Kinder, sondern auch die seiner ersten Frau und dieses Anwalts Galimberti, der ihr nicht von der Seite weicht.«
    »Und mit welcher Begründung?« Lorusso klang verärgert.
    »Der gefährlichste Ort auf der Welt ist die Familie. Jeder Einzelne profitiert vom Tod Spechtenhausers. Wir müssen wissen, mit wem der Mann zuletzt zu tun hatte. Erinnern Sie sich etwa nicht mehr an Ihren letzten Roman, Dottore?«
    »Meinen Sie ›Tote lügen nicht‹? Sie belieben zu scherzen, Laurenti.«
    »Da werden alle abgehört, zum Teil sogar illegal. Nur so konnten Sie den Fall lösen, Dottor Lorusso. Der Mörder handelte im Auftrag der Ehefrau.« Laurenti wedelte mit der Hand, als hätte er sich verbrüht.
    »Aber das ist Literatur, Commissario. Schicken Sie mir morgen eine schriftliche Anfrage mit einer plausiblen Begründung, dann werde ich sehen, was ich tun kann.«
    »Sie geht Ihnen in der nächsten halben Stunde zu.«
    »Ich dachte, Sie seien im Ausland, während ich am Sonntag im Büro brüte.«
    »Inspektorin Cardareto wird sie gleich abfassen, Dottore. Sie kennen sie ja von gestern.«
    Grußlos legte der Staatsanwalt auf. Laurenti wählte die Nummer seiner Mitarbeiterin und gab ihr die Anweisung, sich mit dem Schriftsatz zu beeilen und ihn selbst zu Lorusso ins Büro zu bringen, bevor der wieder mit seiner Frau spazieren ging. Und sie solle darauf bestehen, dass er die Genehmigung gleich ausfertige. Eine glaubwürdige Begründung werde ihr schon einfallen.

Neumond
     
    Es war nach Mitternacht. Die Sterne funkelten am wolkenlosen, nachtschwarzen Himmel, der neue Mond zeichnete eine zarte Sichel. Das Meer war so glatt, als trüge es einen Schleier aus Öl. Manchmal drang leises Plätschern vom Bug des kleinen Motorboots herauf, das vor der Punta Sdobba, eine halbe Seemeile vom Ufer entfernt, zaghaft an der Ankerleine zupfte. Die schwarze Silhouette des Festlands lag wie ein schweigender Schatten vor ihnen. Nur über Monfalcone und der riesigen Werft im Norden, Grado im Süden und in der Ferne über Triest verseuchte der Schein der Stadtlichter die Anmut der Dunkelheit. Irgendwo aus den schwarzen Armen der alten Bäume drüben erklang der Ruf einer Eule. Vor den Hafeneinfahrten signalisierten in gemächlichem Rhythmus blinkende Positionsleuchten dem nächtlichen Seefahrer den sicheren Weg.
    »Die Metamorphosen beginnen mit der Entstehung der Welt aus dem Chaos, Liebling«, sagte Zeno und stieß den Rauch aus.
    Xenia hatte sich eng in den Arm ihres Freundes geschmiegt, als er Ovid aus dem Gedächtnis zitierte. Kleine Schweißperlen standen noch auf der nackten Haut der beiden. Doch die Luft war lau.
    »Nur ein Menschenpaar überlebt

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