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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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tief war, aber für das kleine Sportboot ausreichte.
    Kaum hatte Zeno sich geduckt, übertönte ein Schuss das Geheul des Außenborders. Nur ein paar Meter waren es noch bis zum offenen Meer, vorbei an der kleinen Kapelle, die vor der Punta del Becco am Flussufer stand, als ein weiterer Schuss abgefeuert wurde. Xenia zuckte zusammen, fasste sich kurz an den Oberarm und riss das Ruder nach rechts, sobald sie die letzte Landspitze passiert hatten und die ruhige weite Wasseroberfläche der Adria vor ihnen lag.
    Eine mächtige Bugwelle war die letzte Spur, die vom Anleger zu sehen war, wo hastig der Motor des Kutters angelassen wurde, der dann ebenfalls auf das offene Meer zuhielt. Sein Tiefgang verhinderte den direkten Weg hinaus, die Navigation durch die Fahrrinne verlangte gedrosselte Fahrt.
    Zwei weiße Lieferwagen entfernten sich vom Anleger, mit zunehmendem Tempo verschwanden sie Richtung Fossalon. Eine helle Staubwolke zeichnete sich hinter ihnen in der Nacht ab.
     
    »Wie lauteten die Verse des Ovid noch?«, fragte Xenia, als sie sich im Badezimmer zu Hause von Zeno verarzten ließ, während sie auf den Rückruf der Kollegen wartete.
    Die zweite Kugel hatte knapp neben ihr die Windschutzscheibe des Bootes durchlagen. Behutsam zog Zeno mit einer Pinzette den feinen Splitter aus ihrem Oberarm und desinfizierte die Wunde.
    »Und sie kommen mit fertigen Schwertern in das geheiligte Haus«, sagte er leise.
    »Fertige Schwerter? Das sind Pistolen und Gewehre, Zeno.« Xenia schaute auf ihr Mobiltelefon. Wann meldeten sich die Kollegen endlich?
    Kaum waren sie mit dem Boot aus dem Blickfeld gewesen, hatte sie Zeno das Steuer überlassen, der schnurstracks Kurs auf den kleinen Hafen von Grado Pineta genommen hatte. Trotz des Außenborders war es ihr gelungen, die Kollegen der Polizia Marittima zu unterrichten, die auch Küstenwache, Carabinieri und die Finanzpolizei alarmierten.
    »Was hast du gesehen?«, fragte Zeno, während er einen leichten Verband anlegte. »Die lässt du morgen auf jeden Fall kontrollieren.«
    »Es ist nur ein Kratzer.«
    »Ich will gar nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn die Kugel zehn Zentimeter weiter rechts getroffen hätte.« Er war kreidebleich, erst jetzt wurde ihm klar, dass sie nur um Haaresbreite entkommen waren. »Also was war dort los?«
    »Schenk mir ein Glas Wein ein, dann erzähl ich es dir, solange ich auf Nachricht warte oder bis die Kollegen vorbeikommen.«
    Zeno ging in die Küche, während Xenia ihre Dienstwaffe aus dem Tresor im Wohnzimmer nahm, das Magazin kontrollierte und durchlud. Die Beretta steckte in ihrem Hosenbund, als sie in den Garten hinausging.

Handschuhe
     
    »Die Haushälterin hat ausgesagt, am Sonntagmorgen um acht Uhr mit ihrer Arbeit in der Küche begonnen zu haben. Sie hat Familie und schläft nicht im Haus. Sechs Gläser hat sie gespült, vier für Weißwein und zwei für Rotwein, sowie zwei Teller mit Blutresten und Rosmarinnadeln, wie sie sich erinnerte. Anfangs war also eine dritte Person anwesend. Die Knochen von zwei großen Rinderrippen hat die Frau für ihren Hund eingepackt, Fiorentina offensichtlich. Eine war nur zur Hälfte gegessen«, bevor die Inspektorin fortfuhr, leckte sie sich flüchtig die Lippen, »Anorexia nervosa vermutlich, wer sonst lässt eine solche Kostbarkeit liegen?«
    Laurentis Blick flackerte, er zwang sich, ernst zu bleiben. Wer so adrenalinlastig war und intensiv Kampfsport betrieb wie die Inspektorin, konnte nie genügend Proteine zu sich nehmen. »Sie tippen also auf eine Frau. Vielleicht hatte sie einfach keinen Hunger oder das Fleisch war zäh.«
    »Die Haushälterin hat gesagt, Spechtenhauser habe stets das Rindfleisch von den freilaufenden Highlandern auf dem Karst bevorzugt, das er grundsätzlich selbst einkaufte und dabei penibel auf die Qualität achtete. Außerdem habe sie den Grill im Garten gereinigt. Spechtenhauser musste mit seinem Gast draußen gegessen haben, weil auf der Terrasse auch noch Gläser und eine Menge leerer Weinflaschen herumstanden. Letztere habe ich beschlagnahmt, alles Weine aus Spechtenhausers Kellerei. Keine Vorspeisen, nur Steak, Salat und Rosmarinkartoffeln, der Alte hat vermutlich selbst gegrillt und sich dabei fast zu Tode gesoffen.«
    Pina Cardareto legte ein Foto nach dem anderen auf Laurentis Schreibtisch, auf denen die Etiketten gut zu lesen waren, fünf Flaschen Gewürztraminer 2007 mit vierzehn Prozent Alkoholgehalt, und drei Lagrein, ein Rotwein aus dem Jahrgang

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