Im eigenen Schatten
erster Ehe verheiratet.« Marietta schob einen Aktendeckel über den Tisch. Vor ihr lag noch ein ganzer Stapel weiterer Unterlagen.
»Was weißt du über die Mandanten des Anwalts?«, fragte der Commissario.
Marietta hob die Achseln. »Nur das, was das Internet hergegeben hat. Am Nachmittag sollte ich noch etwas Material von dem Kollegen in Bozen erhalten. Er ist ziemlich unfreundlich, manchmal kommt es mir vor, dass er uns nur deshalb zuarbeitet, weil die Vorschriften es verlangen.«
Auch Inspektorin Pina Cardareto hatte eine Menge an Material zusammengetragen und saß, umrahmt von zwei Beamten niedrigeren Dienstgrades, Marietta gegenüber. Laurenti, unter dessen Stuhl sich der schwarze Hund mit einem deutlich hörbaren Ächzen niedergelassen hatte, belegte die Stirnseite.
»Bis 1992 war Spechtenhauser Senator in Rom«, sagte Pina. »Südtiroler Volkspartei. Dann ist er zurückgetreten. Nicht ganz freiwillig, Mani pulite. Hinter den Kulissen hat er heftig mit Christdemokraten und Sozialisten gekungelt, obgleich er stets stramme sezessionistische Reden führte. Finanziell hat er neonazistische Gruppen unterstützt. Da liegt viel Material vor.« Sie zog ein paar Blätter hervor. »Angeblich hat er Geld aus Deutschland bekommen, in bar von einer Hanns-Seidel-Stiftung. Das haben deutsche Reporter in einer Fernsehsendung aufgedeckt, die italienische Presse hat es aufgenommen. Und hier sieht man ihn mit dem damaligen bayrischen Ministerpräsidenten.«
»Der?« Laurenti tippte auf das Bild, das vor einer weißblauen Fahne einen stämmigen, stiernackigen Mann mit dem Gesicht einer Bulldogge zeigte, der mit Lederhosen, Janker und einem Filzhut bekleidet war und neben Spechtenhauser stand, der einen Südtiroler Trachtenanzug trug. »Der war oft hier. Anfang Oktober 1987 hat er für eine Million Mark ein Oktoberfest bei uns ausrichten lassen. Sechstausend Menschen erwarteten ihn, als er mit dem Hubschrauber auf dem Molo Audace landete. Die ganze Stazione Marittima hatte man dafür belegt, Blasmusikkapellen zogen in Tracht durch die Stadt. Wahrlich teutonisch.«
»Eine ganze Woche dauerte das Fest«, pflichtete ihm Marietta bei. »Es ging um den Hafen. Die Bayern wollten Triest für sich ausbauen, nach Hamburg sind es dreihundert Kilometer mehr. Doch die Deutschen konterten dann mit subventionierten, niedrigeren Bahntarifen. Mein Freund Paolo hat auf der Toilette neben Strauß gestanden und erzählt, wie der geschimpft habe, dass er nur der Wählerstimmen wegen ständig Bier trinken müsse, obgleich er lieber Wein mochte.«
»Man sagte ihm sogar eine Triestiner Geliebte nach, ich würde zu gerne wissen, wer das war?«
»Wie alle.« Marietta grinste breit.
»Doch hoffentlich nicht du!«
»Keine Eifersuchtsszene, bitte, er war nicht mein Typ. Die Frau war verheiratet, ihr Mann hat geschäftlich ordentlich von der Liaison profitiert. Sie ist inzwischen Mitte sechzig, aber ich habe geschworen, die Klappe zu halten. Nicht einmal unter Folter würde ich ihren Namen preisgeben.«
Pina sah misstrauisch von einem zum anderen, sie war damals erst elf Jahre alt gewesen und im fernen Kalabrien. Laurenti hatte mit vierunddreißig gerade von der Verkehrspolizei zur Squadra mobile gewechselt, und Marietta war damals schon darauf spezialisiert gewesen, den Männern den Kopf zu verdrehen. Wie oft war sie morgens, fremden Betten entstiegen, ungeschminkt und schwer verkatert im Büro eingelaufen? Vermutlich war Laurenti der Einzige, den sie nicht herumgekriegt hatte. In dem Jahr, als der bayrische Ministerpräsident das Oktoberfest in Triest ausrichten ließ, war der junge Polizist gerade zum zweiten Mal Vater geworden.
»Zu Moser hingegen gibt es nur Berichte über seinen beruflichen Werdegang.« Pinas Worte rissen beide in die Gegenwart zurück. »Lange Jahre hatte er einen Lehrauftrag in Physik an der Universität Triest, auf Seminaren sprach er über Zukunftsfragen und europäische Aspekte der Sicherheit. Exzellente Kontakte, auch in die USA. Diese Sonar Communications produziert offenbar Überwachungstechnologie. Sehr nebulös, was auf der Website steht, aber aufschlussreich genug: Produkte für Geheimdienste und Ministerien.«
Brüsk wurde die Tür zu Laurentis Büro aufgestoßen, alle drehten sich um. Die Augen schienen fast aus Galvanos Kopf zu springen, als er sich wütend am Tisch aufbaute. Selbst der Hund spitzte die Ohren, machte aber keine Anstalten, sich zu erheben, als er die Stimme seines Herrn vernahm.
»Lass diese
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