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Im Fadenkreuz der Angst

Im Fadenkreuz der Angst

Titel: Im Fadenkreuz der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Briefmarke und so. Weil – so was kann man nicht mailen.«
    »Und dann hat Dad dir gesagt, dass er nach Toronto kommt?«
    Tariq nickt. »Wir haben uns in der Bücherei in der Nähe meiner Wohnung getroffen. Haben zusammen gegessen. Und am Sonnabend sind wir zu den Leafs und den Jays gegangen.«
    Ich schlucke. Da sollte
ich
hin.
    »Wir haben ewig geredet«, sagt Tariq. »Er hat ununterbrochen von dir erzählt, hat mir Bilder von dir gezeigt, die er in seiner Brieftasche hatte.«
    »Dad hat Bilder von mir in der Brieftasche?«
    »Auf einem bist du ein Baby. Ein süßes Kind – was ist bloß geschehen?«, albert er. »Dann hat er ein Foto von dir vom Abschluss der Grundschule und eins vom Fastenbrechen vor eurer Moschee.«
    »Das wusste ich gar nicht.« Es ist, als würde ich einen anderen Vater kennenlernen.
    »Er wollte wissen, wie mein Leben war«, fährt Tariqfort. »Ich habe ihm Bilder von mir und meinen Freunden gezeigt, beim Zelten und beim Paintballspielen, von mir und meiner Freundin in Wonderland. Ich habe ihm erzählt, dass ich auf die Kunstschule gehen will. Er sagte, dass meine Freunde ganz schön wild aussehen würden – was auch stimmt – und dass das mit der Kunstschule verrückt sei, aber trotzdem: Ich sollte meine Träume verwirklichen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Dad mir rät, ich soll meine Träume verwirklichen.«
    »Tja, na ja«, lächelt Tariq. »Das war bei unserer ersten Begegnung. Was hätte er sagen sollen?« Er seufzt. »Nach dem letzten Spiel der Jays war ich nicht sicher, wie ich das alles finden sollte, aber ich wollte nicht, dass es vorbei ist, dass er verschwindet, für immer. Ich sagte, ich würde gerne wissen, wo er wohnt und arbeitet, und würde euch kennenlernen wollen. Ihr seid die einzigen Blutsverwandten, die ich habe. Moms Eltern sind tot. Ihre Brüder und Schwestern, meine Tanten und Onkel, haben uns verstoßen, als sie rausbekommen haben, warum sie Montreal verlassen hat. Meine Cousins habe ich nie kennengelernt. Die sind alle ziemlich altmodisch.«
    »Und was hat Dad dazu gesagt?«
    »Der hat Panik geschoben. ›Du darfst nicht kommen‹, hat er gesagt. ›Wir sind eine glückliche Familie. Ich möchte nicht, dass das kaputtgeht.‹ Ich hab gefragt, ob er mir vielleicht Bilder von seinen Eltern – meinen Großeltern – geben könnte. Oder von meiner Urgroßmutter, die ihm bei der Flucht geholfen hat, oder vielleicht von dem Haus meiner Vorfahren inIran. Oder Karten, Notizen, Briefe von meiner Mutter, bevor sie sich getrennt haben. Medizinische Daten. Irgendwelche Erinnerungsstücke. Aber ich bekam immer nur: ›Nein, nein, nein‹ zu hören – ein echt blödes Ende von unserem wunderschönen Wochenende. Dann, kurz vor der Polizeiaktion, schickt er mir eine E-Mail , dass er mir zusammengepackt habe, was ich wollte, und dass er mir Rochester zeigen wolle und alles. Schon in Toronto war er unendlich nervös, zu Hause ist er bestimmt ein einziges Nervenbündel gewesen.«
    Ich nicke. Armer Dad. Das erklärt, warum er nicht wollte, dass Mom oder ich mit nach Toronto kommen. Warum er gesagt hat, es gibt Dinge, die er mir nicht erklären kann. Warum er sich so komisch verhalten hat. Das erklärt die E-Mail , die der Staatsanwalt vor Gericht vorgelesen hat.
    Verzeih mir, Dad. Du hast versucht, mich zu beschützen. Mom zu beschützen. Und was du getan hast, als du jung warst – wie kann ich über etwas urteilen, was vor meiner Geburt geschah?
    Mom. Was wirst du sagen – wie wirst du dich fühlen – wenn du das erfährst? Denn erfahren
musst
du es. Nur so können wir beweisen, dass Dad unschuldig ist.

33
    Ich brauche etwas, woran ich mich festhalten kann. Ich nehme mir einen Keks.
    »Tariq«, sage ich, »wenn das, was Dad dir bringen wollte, nichts Gefährliches war, wenn es nur Familienfotos und Erinnerungsstücke waren – dann heißt das, es hat überhaupt keinen Plan für einen terroristischen Anschlag gegeben.«
    »Du sagst es – so einen Plan hat es nie gegeben.«
    »Also – dann kannst du dich doch stellen. Sag der Polizei, was du weißt. Wenn du und Dad die Wahrheit sagen, dann ist doch alles gut.«
    »Ach ja?«, schnaubt der Mann hinter mir. »Guckst du keine Nachrichten?«
    Tariq hebt die Hand. Der Mann sagt nichts mehr.
    »Wenn ich mich stelle, wer wird mir dann glauben?«, sagt Tariq. »Niemand, und das weißt du auch. Ich würde den Brief brauchen, den ich ihm geschickt habe. Und das Päckchen, das er für mich gepackt hat. Hat er das noch?«
    »Das

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