Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition)
sie aufzugeben.«
Shrapnel bleckte die Zähne. Kein Lächeln. Hier warnte ein Raubtier das andere. Dann sagte er etwas in einer Sprache, die wie Rumänisch, aber gutturaler klang. Vlad schnaubte.
»Ich bezweifle nicht, dass du es mir schwer machen wirst, mein Freund.« Dann, an mich gewandt, sagte er nur: »Geh. Das willst du nicht mit ansehen.«
Keine Frage, aber ich war noch nicht fertig.
»Er ist hart wie Granit, also kannst du ihm wochenlang zusetzen … oder für ein paar Minuten mich übernehmen lassen.«
Mit einem leisen, grimmigen Lächeln warf Vlad einen Blick auf meine Hände.
»So kurz nach deiner Verwandlung funktionieren deine Kräfte höchstwahrscheinlich noch nicht, wenn sie überhaupt zurückkehren.«
»Ich bin immer noch elektrisch geladen. Der Rest muss auch da sein.«
Mit diesen Worten beugte ich mich vor und berührte den Boden mit der rechten Hand. Nichts. Einige Augenblicke vergingen, und Shrapnel stieß einen Laut aus; halb Seufzen, halb Lachen. Er wusste zwar, dass das für ihn die Folter bedeutete, aber er freute sich trotzdem.
Die Lippen zusammengepresst, berührte ich noch einmal den Boden. Wieder nichts außer kaltem, unebenen Stein. Ich versuchte es ein drittes Mal, doch obwohl der Fels hier durchdrungen von Essenzen sein musste, stellten sich keine Visionen ein.
»Leila.« Vlad klang beinahe müde. »Du kannst nichts dagegen tun.«
Er merkte es nicht, aber seine Worte spornten mich nur noch mehr an. Mein ganzes Leben lang hatte man mir gesagt: »Das kannst du nicht.« Erst: »Du kannst nicht auf Olympia-Ebene mithalten«, und dann hatte ich doch meine Chance bekommen. Nachdem ich von dem Unfall einen Nervenschaden davongetragen hatte, hieß es: »Du wirst nie wieder laufen können«, aber nicht nur lernte ich wieder laufen; ich arbeitete sogar als Zirkusartistin. Dann hieß es: »Du kannst niemanden anfassen«, aber ich hatte Marty kennengelernt, den Vampir, der mein Kollege und bester Freund geworden war. Später dann sagte Vlad: »Du kannst von mir keine Liebe verlangen«, und jetzt war ich Mrs . Vlad Dracul. Na also.
Ich starrte den grauen Boden böse an. Niemals würde ich zulassen, dass ein Stück Fels mein Waterloo wurde, nachdem ich all das durchgestanden hatte.
Diesmal berührte ich den Fels nicht einfach nur – ich rubbelte so heftig, dass ich mir an den scharfen Kanten die Hand aufschnitt. Dann konzentrierte ich mich, bis ich Vlads fortwährende Bitten, ich solle aufhören, und Shrapnels höhnisches Lachen nicht mehr mitbekam.
Da . Nicht lauter als ein Flüstern, viel flüchtiger noch als ein Aufflackern, aber da war etwas, verdammt noch mal! Ich konzentrierte mich, bis mein ganzes Sein auf den Stein unter meiner Hand fokussiert war, und dann sah ich es! Grauenhafte Bilder eines völlig verbrannten Vampirs, der an der Stelle, die ich berührte, zu Boden ging, den Mund zu einem letzten, stummen Schrei geöffnet.
Ich erhob mich und merkte erst da, dass Vlad sich zu mir gekniet hatte und mir einen entrüsteten Blick zuwarf, während er meine Hand wegzog.
»Leila, es reicht …«
Was immer er in meinem Gesicht sah, es ließ ihn verstummen. Sehr langsam ließ er mich los. Dann erhob er sich, und eine ganz seltsame Mischung aus Stolz und Verärgerung hagelte auf meine Emotionen ein.
»Die gute Nachricht ist, du wirst nicht gefoltert«, wandte ich mich an Shrapnel. »Die schlechte ist, dass ich Jagd auf deine Freundin machen werde, und ihr Zauber kann mir nichts mehr anhaben, weil ich jetzt bereits tot bin.«
39
Am liebsten hätte ich auf der Stelle versucht, eine Verbindung zu Cynthiana herzustellen, aber Vlad meinte, es wäre schon kurz vor Sonnenaufgang. Ich glaubte ihm, weil ich selbst keine Ahnung hatte, wie spät es war. Außerdem wusste Cynthiana noch nicht, dass ihr Glück sich gewendet hatte. Jetzt war sie es, deren Kopf in der Schlinge steckte, und wenn heute Abend die Sonne unterging, wurde die Jagd eröffnet.
Wir verließen das Untergeschoss und machten uns auf in den Arrestraum im dritten Stock. Ich hatte richtig vermutet, dass die jungen Vampire zumeist unterirdisch in der Nähe des Verlieses untergebracht wurden, aber Vlad besaß eine Art Präsidentensuite für Vampire, die ihm besonders am Herzen lagen. Kaum hatten wir allerdings den Wohntrakt des Anwesens erreicht, überwältigte mich auch schon der Lärm.
Lautstarke Fußtritte erschallten über und unter uns. Metallisches Klimpern ertönte aus der Küche, wo in Töpfen und Pfannen
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