Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition)
uns nur ein einziges Mal für Sekunden gesehen hatten. Kein Wunder, dass Cynthiana auf einen Zauber zurückgegriffen hatte, der es nicht nur unmöglich machte, ihren Aufenthaltsort zu bestimmen, sondern auch verhinderte, dass ich ihr Gesicht erkennen konnte. Ich hätte nämlich auf den ersten Blick erkannt, dass sie die Vampirin gewesen war, die sich Dawns und Martys letzten Auftritt vor dem Bombenanschlag angesehen hatte.
Dann blickte Cynthiana auf, und ihre dunkel topasfarbenen Augen sahen direkt in meine.
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So beiläufig wie möglich wandte ich den Blick ab, indem ich so tat, als würde ich jemandem weiter weg zulächeln. Nur eine andere Vampirin, die sich mit einem Bekannten trifft, hier gibt’s nichts zu sehen. Als ich noch immer Cynthianas Augen auf mir spürte, ging ich in die Richtung, in die ich geblickt hatte, und hoffte, dass ich mich gründlich genug geschrubbt und mit Deo eingesprüht hatte, um nicht mehr nach Vlad zu riechen. Dann suchte ich mir einfach jemanden aus, der auf Cynthiana zukam, und sagte ihm auf Rumänisch hallo, als wären wir alte Freunde.
Etwas traf mich im Rücken, zwei heftige Schläge, die mich so schnell herumfahren ließen, dass ich den Mann neben mir mit Kaffee bekleckerte. Als er zu schimpfen begann, trafen mich noch einmal zwei Schläge mitten in die Brust.
Ich sah an mir herunter. Eine silbrige Flüssigkeit sickerte aus zwei Löchern in meinem Blazer, doch bevor mein Gehirn registrierte, dass ich beschossen worden war, übernahm mein Instinkt das Kommando. Innerhalb eines Sekundenbruchteils war ich hochgesprungen und mit dem Kopf an die Tunneldecke gestoßen. Ich spürte Beton bröckeln und wirbelte so schnell herum, wie ich konnte. Dann tat die Schwerkraft ihre Wirkung, ich fiel und landete auf ein paar Leuten, die ich versehentlich mit zu Boden riss. Kaum lag ich da, begann das Geschrei.
In dem Gewirr aus Beinen konnte ich nichts sehen, aber das hieß, dass der Schütze mich ebenfalls nicht sehen konnte. Ich wollte allerdings die Menschen nicht als lebende Schilde missbrauchen. Geschosse aus flüssigem Silber waren für mich als Vampir zwar so gefährlich wie gewöhnliche Projektile für Menschen, dank Vlads Beharrlichkeit aber trug ich unter meiner Kleidung eine kugelsichere Weste. Die Umstehenden waren völlig ungeschützt. Ich begann, mich krabbelnd aus der Menge fortzubewegen, und entledigte mich dabei meines Kaffeebechers, den ich, wie mir ungläubig bewusst wurde, die ganze Zeit über festgehalten hatte. Während ich noch davonrobbte, drückte ich einen Knopf an der Verkabelung unter meinem Schal. Ich hatte zwar nicht gesehen, wie Cynthiana es getan hatte, aber ich brauchte keine telepathischen Fähigkeiten, um zu wissen, dass sie auf mich geschossen hatte.
»Meine Deckung ist aufgeflogen«, sagte ich knapp. »Und sie schießt mit flüssigem Silber auf mich.«
Am Rande der Menge angekommen, richtete ich mich auf. Als würde sie meinen Blick magisch anziehen, sah ich Cynthiana inmitten der verängstigten Pendler stehen und beinahe beiläufig ihre Pistole unter der Jacke verstauen. Sie dachte wohl, die Silbergeschosse hätten ihren Zweck erfüllt, und ich läge tot in der Menge.
Vlads Stimme bellte mich durch den Receiver an. »Leg dich nicht mit ihr an. Geh zur Haltestelle Crangasi. Wir kommen gleich.«
Cynthiana fuhr herum. Entweder spürte sie meine Gegenwart, oder sie hatte Vlads Stimme über den Lärm der Menschenmenge hinweg gehört.
Höchstens eine Sekunde lang starrte sie mich an, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Ich weiß nicht, was in diesem Augenblick über mich kam und mich dazu veranlasste, mir mit meiner vom Kaffee feuchten Hand übers Gesicht zu fahren und das dicke Make-up wegzuwischen, das meine Narbe verdeckte. Als Cynthiana sie sah, wurden ihre dunkel topasfarbenen Augen grellgrün, und sie bleckte die Zähne zu einem Fauchen.
»Du.«
Ich erwartete, dass sie wieder zu ihrer Pistole greifen oder über mich herfallen würde, denn sie wirkte ebenso wütend wie ich. Mir wäre beides recht gewesen. Wenn sie mich angriff, würde ich sie von den Leuten weglocken, dann würden wenigstens keine Unschuldigen zu Schaden kommen. Cynthiana tat allerdings nichts dergleichen. Stattdessen hob sie die Hände und rief etwas in einer mir unbekannten Sprache.
Wie von unsichtbaren Strippen gezogen blieben alle Pendler, die eben noch im Weglaufen begriffen gewesen waren, wie angewurzelt stehen. Dann machten sie auf dem Absatz kehrt und strömten
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