Im Feuer der Nacht
Sie war die einzige Erwachsene hier, die ihn nicht gefoltert hatte. „Was haben die mit mir gemacht?“
„Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, sie testen ein neues Präparat, das die Annahme von Implantaten verbessern soll.“
Er verstand kaum etwas von dem, was sie gesagt hatte, hatte aber eine ungefähre Vorstellung davon, worauf sie hinauswollte. „Sie haben mich vergiftet?“
„Das war nicht ihre Absicht, aber sagen wir es so: Du hast Glück gehabt, dass der Versuch nicht geklappt hat. Sonst wärst du jetzt tot.“
Er war darin geübt, Nuancen in den Stimmen der anderen wahrzunehmen. Jedoch bei Blue… sie war so schön, hatte zarte Haut und Wolfsaugen, aber ihre Stimme war ohne jegliche Modulation. Er entschloss sich, einfach zu raten. „Haben Sie etwas damit zu tun?“
Sie zögerte kurz. „Du bist sehr intelligent. Ja. Es war vorteilhaft für mich, dass der Versuch schiefgegangen ist.“
„Warum?“
„Ich brauche dich lebendig.“ Sie berührte sein Gesicht und seinen Hals. „Warum hast du so viele blaue Flecken? Es sollte doch nur eine Spritze sein.“
Er nahm jetzt ein wenig Licht wahr. Erleichtert darüber, dass sie ihm die Wahrheit in Bezug auf seine Augen gesagt hatte, antwortete er ihr ein wenig abwesend: „Könnte sein, dass ich versucht habe, um mich zu schlagen, als ich bewusstlos geworden bin.“
„Das würde erklären, warum Larsen ein blaues Auge hat.“
Ein schrecklicher Gedanke stieg in ihm auf. „Haben sie dem kleinen Mädchen was getan? Er hat gesagt, sie würden sie verschonen, wenn ich mitmachen würde.“
„Er hat gelogen“, antwortete sie, so kühl wie die sterilen Wände des Zimmers. „Du kannst nichts tun, um ihn aufzuhalten. Aber im Moment ist das Mädchen sicher. Er scheint Schwierigkeiten zu haben, neue Objekte für seine Studien zu bekommen, deshalb geht er sorgsam mit dem einzigen noch unversehrten um, das ihm geblieben ist.“
„Schwierigkeiten?“ Er lächelte. „Das war Talin. Sie hat sich eingemischt.“ Als er ihre Haare gesehen hatte, hatte er ihr den Spitznamen Löwin gegeben. Erst sollte es ein Scherz sein, weil sie so klein war, aber es zeigte sich, dass die Bezeichnung absolut zu ihr passte– sie war stark und gab niemals auf. „Sie hat gesagt, sie würde für mich kämpfen.“
Blues Gesicht erschien wie ein verschwommener Schatten über ihm. „Wer ist Talin?“
Er war in eine Falle getappt. „Niemand.“
„Es ist in deinem Interesse, wenn du es mir sagst. Du bist mein Einsatz. Ich muss wissen, mit wem ich verhandeln kann.“
Aber er weigerte sich, den Mund aufzumachen. Er hatte sich bereits zum Narren gemacht. Talin wollte ihm helfen, er würde sie nicht an den Feind verraten. Er hatte genug erlebt, um zu wissen, dass sich das Böse manchmal hinter einem schönen Gesicht verbarg. „Vielen Dank für die Augensalbe.“ Ihm tat jeder Knochen weh, aber er setzte sich auf und lehnte sich mit dem Rücken an.
Sie trug wieder dieselbe Kleidung, hatte aber den Mundschutz heruntergezogen. Um ihren Mund sah man keine Lachfältchen. „Nimm.“ Sie gab ihm eine Tablette. „Das wird das restliche Gift binden, damit du es auf natürlichem Wege ausscheiden kannst.“
Er schluckte die Tablette. Er traute ihr zwar nicht, aber sie hatte ihm gesagt, dass er ihr Einsatz sei. Das glaubte er ihr. Sie würde ihn so lange am Leben erhalten, wie er ihr nutzte. „Vielen Dank.“
Es klopfte an die Tür. Das Zeichen für Ashaya, dass die Flure frei waren und die Kameras einen anderen Abschnitt überwachten, sodass sie ungesehen verschwinden konnte. Ming LeBon hatte zwar versucht, das Labor in seine Hand zu bekommen, aber die meisten Mitarbeiter standen loyal hinter ihr. Hilfreich war auch, dass der Rat für alle eine geistige Blockade angeordnet und sie damit quasi amputiert hatte. Mediale waren geistige Wesen– sie empfanden es als Strafe, keinen Zugang zum Medialnet zu haben. Als unverdiente Strafe.
Sie zog den Mundschutz wieder hoch und sah in das trotzige Gesicht des Jungen. Seine Weigerung hatte keinerlei Auswirkungen. Talin war ein ungewöhnlicher Name und Ashaya hatte schließlich seine Akte.
Sobald sie in ihren eigenen Räumen war, sah sie sich die Akte an. Sie war nicht so naiv zu glauben, man würde sie nicht selbst in diesen Räumen überwachen, aber sie wusste auch, dass niemand Zugang zu dem kleinen Organizer hatte, den sie nie ablegte. Er war nur so groß wie ein kleines Notizbuch und konnte sowohl Unmengen Daten speichern als auch als
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