Im Feuer der Nacht
mobiles Kommunikationsgerät dienen. Akten mit kompromittierendem Inhalt legte sie nur in diesem Gerät ab.
So wie die sorgfältig verschlüsselte E-Mail, die sie vor einer Stunde erhalten hatte.
Wenn Sie etwas tun wollen, sollten Sie jetzt handeln.
Die Mail hatte keine Unterschrift getragen, konnte also auch eine Falle sein, doch genauso gut auch ein Kontaktversuch der heimlichen Rebellen, die dem Rat im Moment das Leben schwer machten. Trotz der geistigen Blockade hatte sie immer noch Mittel und Wege, an Nachrichten zu kommen, und sie wusste, dass diese Rebellen mehr Schaden anrichteten, als allgemein bekannt war. Und sie wusste ebenfalls, dass das Gespenst, der gefährlichste der Rebellen, äußerst geschickt darin war, an geheime Informationen zu gelangen, zum Beispiel an die gut geschützte geheime Mailadresse von ihr.
Auch wenn es eine Falle sein sollte, sie hatte sich zum Handeln entschieden. Es wurde immer schwieriger mit Ming. Wenn sie jetzt nichts tat, würde sie permanent in Gefahr schweben. Der Ratsherr war ein Meister im geistigen Zweikampf– sollte er zu dem Schluss kommen, die Abnahme ihrer Produktivität würde durch vollkommene Ergebenheit wieder erhöht werden, würde er nicht mehr zögern, ihren Geist in Ketten zu legen. Die Menschen nannten so etwas Gedankenkontrolle. Und genau das war es auch.
Ashaya hatte keinesfalls die Absicht, eine von Mings Marionetten zu werden.
Sie wollte ihm auch nicht länger ihren Sohn überlassen.
Deshalb würde sie dieses Risiko eingehen und der Wahrscheinlichkeit vertrauen. Wenn sie sich verrechnet hatte, würden Keenan und sie sterben. Aber auch wenn sie nichts tat, wäre zumindest ihr Tod gewiss. Es gab noch eine weitere Person, an die sie sich wenden konnte, aber sie war nicht bereit, den Preis zu zahlen, den Amara von ihr verlangte. Also war dies hier die einzige Möglichkeit.
Ashaya setzte sich in die Ecke des Zimmers, in der sie vor der Überwachung sicher war, ohne dass es unnatürlich wirkte, und rief die Akte von Jonquil Duchslaya auf. Sie musste nicht lange suchen, um diese Talin zu finden.
Talin McKade war sowohl als seine Kontaktperson bei der Shine -Stiftung als auch als nächste Angehörige aufgeführt. In der Akte stand, sie arbeite als leitende Hüterin für Straßenkinder.
Ashaya hatte etwas anderes erhofft. Diese Frau hatte weder den Einfluss noch die Kontakte, die Ashaya brauchte. Sie musste darauf bauen, dass Talin McKade aufgrund ihrer Leitungsfunktion irgendwie an den Aufsichtsrat von Shine herankam. Ashaya ging ungern ein Risiko ein, ohne sich vorher die Chancen genau auszurechnen, vor allem nicht, wenn so viel auf dem Spiel stand.
Aber das kleine Mädchen, Noor, war in Bezug auf Kontakte ein noch größerer Reinfall. Bis auf ein paar kürzlich erfolgte Missgriffe, die Larsens zunehmender Disziplinlosigkeit zuzuschreiben waren, hatten seine Späher für diesen als Experiment bezeichneten Genozid sorgfältig darauf geachtet, nur Kinder ohne Bindungen auszuwählen. Sie hatten zwar alle in irgendeiner Beziehung zu Shine gestanden, aber emotionale Bindungen hatten stets den größeren Effekt. Das hatten die Menschen immer wieder bewiesen.
Ein einziges engagiertes Elternteil oder Familienmitglied konnte mehr erreichen als eine ganze Organisation– vor allem, wenn diese Organisation wie Shine dadurch gelähmt war, dass der Aufsichtsrat aus lauter alten Männern und Frauen bestand, die die Tatsache leugneten, dass die Vergessenen immer noch verfolgt… immer noch ausgelöscht wurden.
Wenn sie dafür einen Beweis brauchten, würden sie ihn von ihr bekommen.
Aber zuerst einmal musste sie ihren Preis aushandeln.
36
Talin warf einen kleinen Beutel mit Verpflegung in das Flugzeug. Wenn alles nach Plan lief, würden sie am nächsten Tag wieder zurück sein. „Wie bist du an den Pilotenschein gekommen? Verdienst du damit dein Geld?“, fragte sie den großen, blonden und extrem gut aussehenden Piloten. Das letzte Mal war sie ihm vor Joes Bar begegnet. Ihr Magen zog sich zusammen, als ihr einfiel, was sie Clay an diesem Tag enthüllt hatte und was seither zwischen ihnen schwelte. „Dorian?“
Dorian sah sie finster an. „Wie bist du denn so ein Klugscheißer geworden?“
Sie zuckte zusammen, er hatte dieses Treffen also auch nicht vergessen. „Hm, vielleicht ein genetischer Defekt.“
Zu ihrer Überraschung hellte sich seine Miene auf, sein charmantes Lächeln traf sie völlig unvorbereitet. „Du bist ziemlich klein. Das gefällt
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