Im Feuer der Nacht
Ich werde mich jeder Ihrer Entscheidungen beugen, aber ich kann mich schlecht aufteilen.“ Zweifellos würde Ming diese Andeutung verstehen.
„Wir könnten die Experimente in einem anderen Labor stattfinden lassen.“
„Natürlich.“ Sie konnte es nicht riskieren, eine andere Meinung zu haben. „Doch ich würde Ihnen raten, sich der Objekte nicht mehr so offen zu entledigen.“
Ming erstarrte. „Was soll das heißen?“
Sie hatte einen Schuss ins Blaue abgegeben, aber anscheinend hatte sie etwas getroffen, das Larsen nicht erwähnt hatte. „Zu Larsens Methode der Entsorgung gehörte es, Organe zu entfernen und die Toten anschließend mit Schlägen zu traktieren, um sie dann mitten in einer Großstadt abzuladen.“
„Ich glaube, ich werde mich mit Larsen unterhalten müssen.“
Ashaya nutzte die günstige Gelegenheit. „Ich hatte den Eindruck, er habe Ihre Unterstützung“, sagte sie. „Nach den Eintragungen in den Überwachungsprotokollen hat er einige Ihrer Männer dazu benutzt, sich in Polizeiermittlungen einzumischen. Ihren Eintragungen zufolge besaß er von Ihnen unterzeichnete Dokumente.“
Das flüssige Schwarz in Mings Augen brodelte. „Schicken Sie mir eine Kopie dieser Berichte. Heute habe ich keine Zeit mehr, um mit ihm zu reden.“ Er erhob sich. „Ashaya, es ist besser für Sie, wenn Sie nie vergessen, dass es einen entscheidenden Unterschied zwischen Larsen und Ihnen gibt.“
Sie wartete.
„Er ist ein Nichts, eine bloße Schachfigur. Aber Sie sind wichtig. Ich würde Sie nie einfach nur töten.“
Nein, dachte sie, er würde ihr den Schädel aufreißen, bis in ihr Innerstes vordringen… und sie zu einer willfährigen Marionette machen.
Im Medialnet traf sich der Rat zu einer Sitzung, es war schon die zweite Krisensitzung in der kurzen Zeit. Kaleb Krychek, dem jüngsten und wahrscheinlich gefährlichsten Mitglied im Rat, fiel auf, dass Ming als Letzter erschien.
„Marshall ist tot.“ Nikitas Ankündigung wurde mit eisigem Schweigen aufgenommen.
„Bist du sicher?“, fragte Tatiana.
„Die Überreste sind amtlich identifiziert worden, die DNA zweimal überprüft. Ich habe dabei zugesehen, Shoshanna war Zeuge.“
„Was ich hiermit bestätige“, erklärte Shoshanna.
Keiner konnte jetzt noch die Aussage infrage stellen, denn Shoshanna und Nikita waren eingefleischte Feindinnen. Keine würde die andere decken.
Henry Scott machte sich bemerkbar. „War es ein Angriff von Gestaltwandlern, wie wir vermutet haben?“
„Nein“, beschied Shoshanna ihrem Mann. „Leider nicht.“
„Es war einer von uns“, fügte Nikita hinzu. „Ein präzise ausgeführter Schlag.“
„Irgendwelche Ähnlichkeiten mit dem Bombenanschlag auf das Implantationslabor?“, fragte Tatiana. „Es könnte sich um denselben Saboteur handeln.“
„Das habe ich zuerst auch vermutet“, meinte Nikita. „Ming, du hast doch die Bombensplitter untersucht.“
„Die Handschrift ist eine andere“, erklärte Ming. „Doch da die Anschläge so schnell hintereinander und so gekonnt ausgeführt worden sind, komme ich zu dem Schluss, dass wir es mit demselben Täter zu tun haben. Vielleicht arbeitet er mit Komplizen zusammen.“
„Das Gespenst“, meinte Tatiana. „Es hat sich ziemlich schnell zu einer wirklichen Bedrohung entwickelt. Es erschüttert uns so, dass einige, die wir lieber anketten würden, ihre Fesseln abgeworfen haben.“
Kaleb wusste, dass sie sich auf die sogenannten Anker bezog. Das Medialnet brauchte sie, aber unglücklicherweise hatten sie die Tendenz, den nicht so bekannten Nebeneffekten von Silentium zum Opfer zu fallen– einem Wahnsinn, der zu blindwütigem Morden aufforderte.
„Ja“, stimmte Ming zu. „Ich bin gerade in den Besitz von Informationen gelangt, dass auch andere die Auswirkungen der Störungen im Medialnet spüren. Sie beeinträchtigen schwache Gehirne, stören ihre Konditionierung.“
„Wir müssen das Gespenst unbedingt aufhalten, bevor es noch mehr Schaden anrichten kann. Wie ist die Bombe überhaupt in Marshalls Haus hineingekommen?“, fragte Tatiana.
„Das weiß niemand.“ Das war Shoshannas kalte geistige Stimme. „Wir haben alle Besucher überprüft, aber bei keinem hat sich etwas Auffälliges ergeben. Vielleicht hat Ming recht– das Gespenst könnte ein Name für eine ganze Gruppe sein und nicht nur für eine Einzelperson. Dessen ungeachtet ist das Gespenst einfach viel zu klug und gerissen.“
„Aber“, meldete sich Kaleb zu Wort, der bis zu
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