Im Feuer der Nacht
sah zu den Leuten hoch, die neugierig aus den Fenstern eines Hauses blickten.
Er ging nicht darauf ein. „Warum sind die Larkspurs mit dir nicht zu jemandem gegangen, der dir helfen konnte, mit diesen Dingen umzugehen?“
„Das haben sie getan.“ Sie setzte sich wieder richtig in den Wagen und lehnte den Kopf gegen die Rückenlehne. „Ich bin zu krank, um geheilt zu werden.“
Die Beifahrertür schloss sich, und kurz darauf saß Clay wieder neben ihr. „Das ist Schwachsinn“, sagte er, als sie weiterfuhren. „Mit Blut konntest du nie besonders gut umgehen. Du bist fast ohnmächtig geworden, als ich mir damals das Knie an einem Zaun aufgerissen habe.“
Schon bei dieser harmlosen Erinnerung wurde ihr wieder übel. Sie nahm noch einen Schluck Wasser und konzentrierte sich auf die Lichtfunken hinter ihren geschlossenen Augenlidern. „Ist schlimmer geworden. Danach.“
Schweigen.
„Nach mir oder nach ihm?“
„Spielt das eine Rolle?“ Sie hatte die Flasche ausgetrunken.
„Ich glaube nicht. Bist so oder so dabei die Dumme.“
Das tat weh. „Ja.“
Clay fluchte. „Mein Gott, Talin. Hast du denn gar kein Rückgrat mehr?“
Sie schlug die Augen auf. „Wirfst du mir Beleidigungen an den Kopf, damit ich endlich reagiere? Was sind denn das für Manieren?“ Wütend warf sie die leere Flasche nach hinten. „Ich habe mir die Seele aus dem Leib gekotzt und du–“
„Warum bist du so ein furchtsames kleines Mäuschen geworden?“ Seine Stimme klang hart, er sah auf die Straße.
„Ein Trauma, Clay. Ich bin traumatisiert. Das ist mit mir passiert.“
„Mit mir auch“, sagte er erbarmungslos. „Aber ich habe den Kopf nicht in den Sand gesteckt.“
Sie wusste sofort, dass er nicht den Mord meinte. „Du hast mich gerettet.“
Er lachte rau auf. „Jahre zu spät.“
„Nein.“ Sie musste ihn irgendwie erreichen, es ihm irgendwie begreiflich machen. „Orrin hatte vorher nie versucht, mich zu würgen.“ Er hatte sehen wollen, wie der letzte Funken Leben aus ihr wich, genau wie bei den anderen Mädchen, die er im Hof verscharrt hatte.
„Er hat dich missbraucht, Talin. Hat dich verletzt, dich angefasst, dich Dinge erleiden lassen, die kein kleines Mädchen erleiden sollte. Vielleicht hatte er sich den Mord für deinen achten Geburtstag aufgespart. Verdammt noch mal, ich hätte ihn schon vorher aufhalten sollen.“
„Ich hab doch nie darüber gesprochen“, schrie sie. „Und du warst auch noch ein Kind.“
„Trotzdem hätte ich es wissen müssen. Ich bin eine Katze– du musst nach ihm gerochen haben.“
„Er war mein Pflegevater. Weißt du nicht mehr, dass du mir selbst erzählt hast, du könntest an allen Kindern die Eltern riechen?“
Er antwortete nicht. Sie starrte auf die dunklen Stoppeln auf seinen Wangen und auf seine ebenholzfarbenen Haare. Obwohl sie ihm so nahe war, wagte sie nicht, ihn zu berühren. „Clay?“ Bitte sag was, hätte sie ihn gerne gebeten. Er hatte immer mit ihr gesprochen, selbst wenn er allen anderen gegenüber geschwiegen hatte.
Seine Finger umklammerten das Lenkrad. „Erzähl mir was von deinem Leben bei den Larkspurs.“
Erleichtert holte sie tief Luft. „Sie sind allesamt Farmer. Ausgenommen Dixie, aber sie hat einen Farmer zum Mann genommen. Hat schon zwei Kinder. Das wollte sie immer.“
„Magst du sie?“
„Ja.“ Talin lächelte. „Sie ist das Küken, süß und sehr nett. Sie ist mir überallhin gefolgt und hat mich jeden Tag umarmt, als sei– ich mag sie.“
„Was ist mit den anderen?“
„Tanner und Sam haben sich die Leitung der Farm aufgeteilt. Sie ist riesig. Samara– die eine Minute ältere Zwillingsschwester von Sam– erledigt das Geschäftliche. Ma und Pa Larkspur haben die Oberaufsicht.“
„Hört sich an, als sei es eine glückliche Familie.“ Seine Augen leuchteten katzenhaft auf, als er ihr einen Blick zuwarf. „Warum sitzt du dann immer noch in der Zimmerecke und siehst zu, wie ich Orrin in Stücke reiße?“
Sie hätte wissen müssen, dass sie der Vergangenheit nicht so einfach entkommen konnte. „Ich hab versucht rauszukommen. Habe so getan, als ob. Ist mir aber nie gelungen, ich weiß auch nicht, warum.“ Obwohl sie nach den letzten Untersuchungen eine Ahnung hatte. „Wo bringst du mich hin?“
„An einen sicheren Ort.“
Die Stadt verschwand hinter ihnen. „Wohin?“, drängte sie.
„In mein Versteck.“
Ihr Herz machte einen Sprung. „Ich denke, du lässt Fremde nicht rein.“
„Das ist eine
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