Im Feuer der Nacht
Ausnahme.“
Beinahe hätte es ihr ein Lächeln entlockt. Nur… „Tu es nicht. Die Leute, die hinter mir her sind, haben wahrscheinlich auch die Kinder entführt. Sie könnten uns folgen und dir und dem Rudel schaden.“
Er lachte, und sie spürte diesen männlichen Laut ganz tief in sich, an einer Stelle, die noch nie jemand berührt hatte. „Wir sind kein kleines Rudel, das man einfach ignorieren kann. Die DarkRiver-Leoparden kontrollieren das gesamte Gebiet um San Francisco. Außerdem sind die Wölfe unsere Verbündeten. Niemand gelangt ohne unser Wissen in unsere Wälder.“
„Diese Leute sind sehr schlau.“
„Willst du damit sagen, wir Tiere sind das nicht?“
„Komm mir nicht mit diesem rassistischen Mist“, sagte sie und sah ihn finster an. „Sonst werde ich dir mal erzählen, was ich von großen Katzen halte, die gerne knurren und beißen.“
Gegen seinen Willen verzog Clay die Lippen. „Miau.“
Überrascht hörte er so was wie ein Kichern. „Blödmann.“
Plötzlich war sie wieder seine Tally. Süß, lustig und stark. Verdammt stark. Das einzige menschliche Wesen, das sich ihm jemals entgegengestellt und nicht den Kürzeren gezogen hatte. „Was ist bloß mit dir geschehen, Tally?“
Das Lachen erstarb. „Ich bin zerbrochen.“
Talin fielen sofort die Blumen auf, als sie das nicht sehr hoch gelegene Baumhaus betrat, das Clay sein Versteck nannte. Im dichten Laub sah es wie eine verlassene Behausung aus. Innen war es groß und sauber, eine einziehbare Leiter führte in den von außen nicht sichtbaren zweiten Stock.
„Es gibt auch noch eine dritte Ebene.“ Seine Stimme verriet keine Regung. „Sie ist so gebaut, dass man sie in Sekundenschnelle unzugänglich machen kann. Dort wirst du schlafen.“
„Oh.“ Sie konnte sich nicht von dem wunderschönen Blumenarrangement losreißen. „Hübsche Blumen.“
Seine Gesichtszüge schienen etwas weicher zu werden, als er den Blick darauf richtete. „Ist von Faith. Sie meint, ich könnte hier etwas Farbe brauchen.“
Talins Fingernägel gruben sich in ihre Handballen, als er den Namen einer Frau erwähnte, die sich in seinem Versteck zu schaffen machen durfte– bei einem Mann, der als Junge nie jemanden nahe an sich herangelassen hatte. Wenn man die Blumen außer Acht ließ, war eine äußerst maskuline Atmosphäre nicht zu leugnen. Die gesamte Einrichtung, außer einigen kleinen waldgrünen oder weißen Einsprengseln, selbst der Teppich und die Kissen, die Clay anscheinend als Sofas dienten, war erdfarben. Sinnvoll, dachte sie. Der Leopard inihm rollte sich wahrscheinlich gern auf den Kissen zusammen.
Die Vorstellung von Clay in Katzengestalt ließ ihre Fingerspitzen kribbeln. „Hast du oft Besuch?“
„Nein.“
Diese Faith war also etwas Besonderes. Talin kreuzte die Arme vor der Brust und sah zu, wie Clay die Leiter auszog, auf die erste Stufe trat und ihre Tasche in den zweiten Stock voranwarf. Als er wieder bei ihr war, war sein Gesicht voll grimmiger Entschlossenheit. „Jetzt rück raus mit der Wahrheit.“
Plötzlich fühlte sich ihr Magen an, als wären tausend Schmetterlinge darin eingeschlossen. „Welche Wahrheit?“
Seine Augen wurden so dunkel, dass sie fast schwarz schienen. „Erst habe ich gedacht, es liegt daran, dass du erwachsen geworden bist, aber das ist es nicht.“
Sie schluckte. „Wie bitte?“ Er konnte es nicht wissen. Woher sollte er?
„Dein Geruch.“ Er kam ganz nah, ein anmutiges, gefährliches Raubtier mit einem Verstand wie ein Schwert. Stahlhart. Scharf geschliffen. „Du riechst falsch, Talin.“
„Kann gar nicht sein.“ Furcht wich ehrlicher Verwirrung. „Ich rieche nach mir.“
Er trat hinter sie. Trotz der wieder aufkeimenden irrationalen Furcht blieb sie stehen. Erinnerungen an Blut und– „Aua!“ Sie befreite ihr Haar aus seiner Hand. „Was soll das?“
„Ich hole dich aus der Panik heraus.“
Die Antwort blieb ihr im Hals stecken, als sie seinen heißen Atem am Hals spürte. Er berührte sie nicht mehr, aber sie konnte sich trotzdem nicht von der Stelle rühren. Ihr Körper erinnerte sich. Außer den Larkspurs war er der Einzige, der sie je mit Zuneigung berührt hatte. Doch ihre Adoptivfamilie hatte einen anderen Platz in ihrem Herzen als Clay. Er saß tief in ihr, sie brauchte ihn und fürchtete ihn gleichzeitig.
„Du riechst nach Frau, nach Angst, nach dir, aber direkt unter der Oberfläche gibt es etwas Hässliches, etwas Schlechtes.“
Ihre Seele zog sich zu einem
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