Im Feuer der Nacht
„ist ihr Gebiet einer unserer wunden Punkte– unsere Tiere sind nicht gern in der Unterwelt. Merken die Medialen das, könnten sie uns immens schaden.“ Er wandte sich an seinen Nachbarn. „Was meinst du, Clay?“
„Ja, das stimmt.“ Trotz der Aggressivität des Tieres brachte Clay in den Kreis der Wächter eigenartigerweise die Perspektive des Menschen ein. Weniger aus genetischen Gründen, als vielmehr aufgrund der Tatsache, dass er vierzehn Jahre versucht hatte, so zu tun, als sei er ausschließlich ein Mensch. Diese Seite konnte über die territorialen Bedürfnisse des Tieres hinausblicken. „Teijan ist sehr bodenständig– deshalb hat er so lange gebraucht, um sich zu entscheiden. Er wird die Abmachung nicht brechen, wenn wir es nicht tun.“ Eine Ratte hatte auch ihre Ehre, was diejenigen verblüffen würde, die sie nach dem Tier in ihr beurteilten.
Dorian spielte mit seinem unvermeidlichen Messer das alte Spiel des blitzschnellen Herumwirbelns. „Ich habe schon mit Teijan zu tun gehabt– wir haben Informationen ausgetauscht. Seine Leute sind nicht die besten Kämpfer, aber sie sind exzellente Spione. Auch die Menschen unter ihnen.“
Lucas sah ihn fragend an. „Man kennt sich untereinander?“
Dorians Lächeln war flink wie Quecksilber. „Könnte sein.“
„Bei unserem Treffen zu einem Sondierungsgespräch kamen sie mir zurückhaltend, aber ehrlich vor“, sagte Sascha und meldete sich zum ersten Mal in dieser Runde zu Wort. „Teijan verspricht nicht leichtfertig etwas, und er betrügt auch keinen Verbündeten. Er scheint sehr stolz zu sein.“
„Ist das die Aussage eines Profis?“, fragte Dorian. „Hast du seine Gedanken gelesen, Sascha-Schätzchen?“
Sascha sah den blonden Wächter finster an. „Das wäre unethisch. Mein Instinkt sagt mir, dass wir ihm vertrauen können.“
Dorian zuckte die Achseln. „Du hast die Instinkte einer Empathin.“
Clay konnte ihm nur zustimmen. Auch wenn Sascha nicht bewusst Gedanken gelesen hatte, musste sie etwas aufgenommen haben, was sie zu ihrer Meinung veranlasst hatte. „Vielleicht solltest du dich noch einmal mit Teijan und seinen Leuten treffen.“
„Ich werde nicht ihre Gedanken lesen.“ Sascha sah noch finsterer drein.
Lucas zog an ihrem Zopf. „Verfluchte Ethik.“
„Ich werde sie treffen“, sagte sie und schlug ihm leicht auf die Hand, lächelte aber dabei, „und ich werde euch meine Gedanken mitteilen, aber nur meine, nicht die ihren.“
„Herrgott, Lucas“, murrte Dorian. „Hattest du nicht gesagt, du könntest sie bestechen?“
Sascha warf ein Kissen nach ihm. Lachend fing Lucas Dorians Rückwurf ab. „Hör auf damit, meine Frau zu ärgern. Sie hat eine ihrer aufbrausenden, weiblichen Launen.“
Mercy knurrte.
„Du bist ja bloß sauer, weil du das schlechtere Los gezogen hast“, schnaubte Dorian.
„Warum muss ausgerechnet ich die Verbindung zu den Wölfen halten?“, fragte Mercy. „Riley ist so verdammt mufflig, ich würde ihn am liebsten–“ Sie formte ihre Hände zu Krallen und fauchte.
„Ich werde dir ein Messer leihen“, sagte Dorian gedehnt. „Dann musst du dir deine zarten Mädchenkrallen nicht schmutzig machen.“
Mercy versetzte ihm einen Schlag, den er mit Anmut auffing. Doch es gelang ihm nicht, sich dagegen zu wehren, dass sie ihn zu Boden warf– denn er musste zu sehr lachen.
Clay sah seine lächelnden Gefährten an und wusste, Tally gehörte in diesen Kreis. Sie war sein. Nichts und niemand– weder ihre Ängste noch diese verfluchte Krankheit– konnte sie ihm vorenthalten.
Talin hatte schon Sascha für aggressiv gehalten, aber Lucas’ Frau war kein Vergleich zu Faith. Die kleine Rothaarige hatte die gleichen nachtschwarzen Augen wie Sascha, doch das war auch die einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden. Faith lächelte selten, sie war stets von einer unbestimmten Düsternis umgeben, die Talin sofort bemerkte– weil sie das Echo derselben Dinge in sich selbst trug.
„Sie kennen Clay also aus Kindertagen?“, fragte Faith, als sie im großen Spielzimmer im ersten Stock waren. „Er hat Sie nie erwähnt.“
Talin spürte den stechenden Schmerz der Verletzung, gefolgt von Irritation. Wer war diese Frau, dass sie ihr Fragen über Clay stellte? „Das überrascht mich eigentlich nicht. Wir waren sehr jung, als wir uns aus den Augen verloren.“ Aber sie hatte ihn während der ganzen Zeit in ihrem Herzen behalten.
„Ich hatte von Ihnen gehört“, sagte Tamsyn aus ihrem Lehnstuhl
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