Im Feuer der Nacht
sie es auch tun musste. Sie hatte lange genug alles allein durchgestanden. Jetzt sollte sich jemand um sie kümmern.
Faith blickte eher besorgt als beleidigt. „Ich bin deine Freundin.“ Sie schien in ihrem Kopf einen Kampf auszufechten, bevor sie hinzufügte: „Und ich mache mir Sorgen.“
„Vaughn“, knurrte Clay.
Vaughn küsste seine Frau auf die Stirn. „Komm schon, Rotfuchs. Ich werde dir ein paar Dinge über das Leben erklären.“
„Wartet– Faith, hast du vor Kurzem den Netkopf gesprochen?“ Der Netkopf war ein Wesen, das im Medialnet lebte– in mancher Hinsicht war er sogar dieses Netzwerk–, und er mochte Faith. Er kannte die perfekte Informationsquelle, wenn sie etwas über eine Beteiligung der Medialen an den Entführungen erfahren wollten.
Faith schüttelte den Kopf. „Ich habe das Gefühl, er vermeidet im Moment den Kontakt mit uns. Vielleicht liegt es daran, dass Ratsherr Krycheck die Bewegungen des Netkopfes zu gut verfolgen kann und dieser ihm nicht verraten will, dass er auch mit der Welt außerhalb des Medialnet kommunizieren kann.“
Clay schüttelte das Gefühl der Enttäuschung ab. Selbst wenn Faith einen Kontakt hätte herstellen können, wäre die Kommunikation mit dem Netkopf schwierig gewesen. „Danke.“
„Clay“, sagte Faith mit einem gequälten Ausdruck im Gesicht. „Ich möchte nur, dass du glücklich bist.“
„Tally macht mich glücklich.“ Er stellte den Bildschirm aus. Was er gesagt hatte, stimmte. Obwohl ihn Tally oft in Wut versetzte und er häufig ärgerlich auf sie war, machte sie ihn gleichzeitig auch so glücklich wie niemals jemand zuvor. Und er wollte, dass sie dasselbe für ihn empfand.
Mit diesen Gedanken legte er sich im zweiten Stock schlafen, für den Fall, dass sie ihn brauchte. Sie hatten nicht viel über ihre Fugue in der vergangenen Nacht gesprochen– Tally schien den Vorfall ignorieren zu wollen–, aber was immer mit ihr los war, man konnte nicht darüber hinwegsehen, dass es schlimmer wurde. Und Clay konnte nicht wie damals, als er vierzehn war, die Bestie für sie erschlagen.
Seine Krallen sprangen vor. Zum Teufel damit! Wenn er Tally damit helfen konnte, würde er eben einen M-Medialen entführen. Wenn es um sie ging, kannte er keine Gnade. Überhaupt keine.
Den Traum hatte Talin schon seit vielen Jahren. Anders als die anderen Dinge, die sie verfolgten, war es kein Albtraum. Es war fast friedlich.
Sie schwebte körperlos über eine schwarze Ebene. Ab und zu flackerten Sterne auf und grüßten sie, aber ihre Aufmerksamkeit wurde vollkommen von den hin- und herwogenden Strängen eines Regenbogens gefangen genommen. Sie schienen fast lebendig zu sein, blitzten übermütig in der Dunkelheit.
Wie immer hielt sie inne und versuchte nach einem der bunten Stränge zu greifen. Und wie immer schwand in diesem Augenblick der Frieden. Begierde raste durch ihren Körper, so tief, so schmerzhaft und unverständlich, dass es sie im Innersten erschütterte, sie aus dem Schlaf auffuhr und in der kalten Nachtluft nach etwas schnappte… das ungeheuer wichtig war.
Doch es gab nur Leere und Schweigen um sie herum.
Mit klopfendem Herzen blickte sie auf die Uhr neben dem Bett. Es war vier. Ihre Hexenstunde. Sie sollte einfach liegen bleiben, sagte sie sich. Wenn sie hinunterstieg, würde sie Clay stören– er hörte zu gut, als dass ihre Bewegungen unbemerkt geblieben wären. Ein Zweig schlug gegen das Fenster, warf Schatten in den Raum.
Diese Schatten bereiteten ihr keine Furcht. Der Wald war Clays Heimat. Er versprach Stärke und Sicherheit. Genau wie Clay. Schließlich kam sie zu der Einsicht, dass sie nicht mehr hier oben bleiben wollte, schon gar nicht allein. Sie stieg aus dem Bett und zog eine Trainingshose über. Sie hatte nur in Top und Unterhose geschlafen. Normalerweise trug sie auch im Bett Kleidung, in der sie weglaufen konnte, aber nach zwei Nächten bei Clay hatte sie sich sicher gefühlt. Sie öffnete die Bodenklappe und stieg hinab.
„Tally?“
Die verschlafene Frage überraschte sie, und sie spähte in die Dunkelheit. Nachtaugen glühten unter einem Fenster, zogen sie so sehr in den Bann, dass sie ihre Ängste vor der Dunkelheit vergaß. „Clay?“
„Hmmm.“ Die Nachtaugen schlossen sich, er musste sich ein Lager auf dem Boden eingerichtet haben.
Seine Anwesenheit traf sie völlig unvorbereitet, zögernd blieb sie auf der Treppe stehen.
„Kannst du nicht schlafen?“ Er öffnete die Augen wieder.
Sie schüttelte den
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