Im Feuer der Nacht
daran? Menschen werden jedenfalls nicht so irre überfürsorglich und sagen mir, ich sei nicht–“ Sie schloss den Mund, aber er hatte genug gehört.
Er nahm eine ihrer schlanken Hände und küsste die Fingerspitzen, spürte ihren schnellen Herzschlag, die zerbrechlichen Knochen und ihr vollkommenes Vertrauen. „Auch Menschenfamilien schützen ihr Gebiet.“
Sie schüttelte den Kopf. „Aber ihr Gestaltwandler betretet noch eine andere Ebene. Ich fühle mich wie bei einem Spießrutenlauf.“
Dieses Bekenntnis kam unerwartet. Die Tally, die er kannte, verbrachte ihre Zeit nicht damit, sich selbst zu bemitleiden. Aber in einer Welle von schmerzhafter Zärtlichkeit wurde ihm bewusst, dass sie an diesem Tag viele Schocks hatte verarbeiten müssen. „Du gehörst mir. Und du bist vollkommen.“
Ihre Lippen zuckten. „Blödmann.“
„Kann sein.“ Er knabberte an ihren Fingern. „Wenn sie dich erst einmal anerkennen, steht das ganze Rudel mit seiner Stärke hinter dir. Wir lassen nie jemanden untergehen. Niemals.“
„Sie werden mich nie anerkennen, Clay“, flüsterte sie und legte den Kopf an seine Brust. „Unter diesen Frauen fühle ich mich wie ein verlassenes Waisenkind, das sich die Nase am Fenster plattdrückt, während du bei ihnen drinnen sitzt. Ich kann meine Gestalt nicht verändern, und ich habe auch keine medialen Kräfte.“
Das Bild brach ihm schier das Herz. „Haben sie etwas gesagt?“
„Vergiss es.“ Sie zog sich zurück. „Ich hatte nur einen Arme-Tally-Anfall. Ich bin schon darüber hinweg.“
Er wusste es besser. „Tally.“
Sie presste die Lippen aufeinander. Er wartete. Sie seufzte. „Na schön! Man hat mich ausgefragt, welche Absichten ich bei dir verfolge.“
Er zog sie näher an sich heran und legte die Arme um sie. „Und welche Absichten hast du?“, murmelte er, beugte sich vor und gab ihr einen Kuss. „Willst du mich meiner Jungfräulichkeit berauben? Ich werd auch ganz brav sein.“
Ihre Brüste pressten sich an ihn, als sie tief einatmete. „Sei nicht albern. Sie werden mich nie akzeptieren.“ Sie legte ihre Hände mit gespreizten Fingern wieder auf seine Brust, als prüfe sie die Stärke seiner Muskeln. Es gefiel ihm.
„Anfangs wollten ein paar von uns sogar Sascha foltern.“
Ihre Finger bohrten sich in seine Brust. Das gefiel ihm noch besser. „Was? Warum denn das?“, fragte sie.
„Ein medialer Serienmörder hatte Dorians Schwester getötet. Wir dachten, Sascha könnte uns Hinweise auf ihn geben. Das Rudel war wütend, und sie wurde zur Zielscheibe dieser Wut– Dorian hätte ihr fast die Kehle aufgeschlitzt. Und als ich Faith das erste Mal traf, habe ich ihr vorgeworfen, einem Volk von Psychopathen anzugehören.“
„Das wusste ich nicht.“ Ihre Finger streichelten ihn unbewusst– er hätte gerne geschnurrt. „Wie kommt es, dass Sascha und Faith jetzt so sehr zum Rudel gehören?“
„Sie haben uns ihre Loyalität bewiesen.“
„Und ich muss dasselbe tun, bevor sie mich akzeptieren.“ Talin seufzte und legte die Stirn an seine Brust. „Darf ein Mensch auch beißen?“
Clay grinste und fragte sich, ob sie bemerkte, wie leicht es ihr fiel, sich an ihn zu schmiegen. „Geh ins Bett, Tally. Du bist mürrisch und müde.“ Er küsste ihre Ohrmuschel. Wie eine scharfe Klinge spürte er den Hunger des Leoparden, aber ihre Nähe hatte ihn ein wenig besänftigt. Doch das spielte keine Rolle. Clay würde Tally erst nehmen, wenn sie dafür bereit war. Nie wieder wollte er in ihren Augen sehen, dass sie sich vor ihm fürchtete. Es hätte ihn schon beim ersten Mal fast umgebracht.
Sie rieb ihr Gesicht an seiner Brust. „Selbst wenn das so ist, brauchst du es nicht so deutlich zu sagen.“ Aber sie nahm seinen Rat an und wandte sich ab. „Bis morgen dann.“
„In aller Herrgottsfrühe.“ Er wartete, bis sie sicher in ihrem Zimmer war, und stieg dann wieder nach unten, um von der Kommunikationskonsole aus zu telefonieren.
Vaughn sah ihn finster an, sein Haar war vom Schlaf zerwühlt. „Du? Ist irgendetwas passiert?“
„Ich muss Faith sprechen.“
Vaughn machte ein noch finstereres Gesicht. „Du hast mich aus dem Bett geholt, weil du meine Frau sprechen willst? Gegen so etwas gibt es Gesetze.“ Eine schlanke Hand schob sich über seine nackte Schulter, dann tauchte Faiths Gesicht auf dem Bildschirm auf.
„Clay? Was ist los?“
„Ich will, dass du Talin in Ruhe lässt.“ Talin konnte auf sich selbst aufpassen, aber das hieß nicht, dass
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