Im Feuer der Nacht
gehabt, sie könne eine Wahrheit über ihn entdecken, die die schönsten Erinnerungen ihrer Kindheit zerstören würde.
Ihr war nie in den Sinn gekommen, sie könnte den erwachsenen Clay sogar noch mehr lieben als den Jugendlichen, aber genau so war es. Ihr Freund hatte sich zu etwas entwickelt– ach, er war einfach bezaubernd mit seinem brodelnden Temperament, seinen sinnlichen Küssen, dem animalischen Beschützerinstinkt und all den anderen kleinen, wichtigen Dingen. Erfreulicherweise beruhten die Gefühle auf Gegenseitigkeit. Aber die Trennung hatte bei ihnen beiden Narben hinterlassen. Was würde mit Clay geschehen, wenn diese Krankheit es schaffte, sie zu töten?“
…die Zukunft hat sich nicht verändert.
Die Vorstellung, dass Clay sein Menschsein verlieren könnte, weil sich zwischen ihnen eine Beziehung entwickelte, erfüllte sie mit Schrecken. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Nein, dachte sie, nein. Die Zukunft war nicht festgeschrieben. Sie würde nicht zulassen, dass er zugrunde ging… Ein Klopfen an der Tür ließ sie herumfahren.
Eine hübsche Brünette mit Lachfältchen um die Augen erschien mit einem Teetablett im Türrahmen.
„Ich bin Ria und höllisch neugierig.“
Diese Begrüßung war entwaffnend, Lachen vertrieb ihre bohrenden Gedanken. „Ich heiße Talin.“
Ria stellte das Tablett auf den Tisch. „Sie sind also die Frau von Clay?“
„Naja, er gehört auf jeden Fall zu mir.“
Ria lächelte. „Oho, das gefällt mir! Ich muss allerdings zugeben, dass ich jemand anderen erwartet hatte.“
„Ach ja?“
„Sie sind ein Mensch. Und Clay ist ziemlich… heftig, selbst für eine Katze.“ Sie sah sie erschrocken an, bevor Talin antworten konnte. „Das sollte keine Beleidigung sein. Ich bin auch ein Mensch.“
Talin ergriff die Gelegenheit. „Wie ist es denn als Mensch in einem Leopardenrudel?“
„Sie müssen vorsichtiger mit uns umgehen– wir sind zerbrechlicher“, sagte Ria freundlich.
Talin mochte den Gedanken nicht, dass Clay sich ihr gegenüber zurückhielt. „Natürlich.“
„Aber auch Menschenmänner müssen sich ihren Frauen gegenüber in Acht nehmen. Ganz egal, welchem Volk sie angehören, Männer sind nun mal größer und stärker.“ Sie zuckte die Achseln. „Die Jungs hier haben bloß zusätzlich Zähne und Krallen.“
„Hm.“ Das klang nach einer vernünftigen Erklärung.
„Und“, fügte Ria hinzu, „wir müssen auch mit ihnen vorsichtig sein.“
Talin spürte, wie sie die Augenbrauen hob. „Was könnte ich denn schon Clay oder einem anderen Gestaltwandler antun?“
„Überlegen Sie mal– Gestaltwandlerohren sind sehr empfindlich. Wenn wir laut genug schreien, platzen die Trommelfelle.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich hab’s auf die harte Tour erfahren.“
„Ist er–?“
„Geheilt. Gott sei Dank. Und wir sind ein Paar, er war mir also nicht allzu böse.“ Ein reumütiges Lächeln. „Aber er bringt es ab und zu aufs Tapet, um mich zu ärgern, damit ich netter zu ihm bin.“
Talin hatte sich nie Gedanken über die Kehrseite von Clays außergewöhnlichen Sinnen gemacht. „Dann ist Parfüm wohl gestorben?“ Sie dachte daran, wie er an ihr leckte, und fühlte Hitze in sich aufsteigen.
Ria zog die Nase kraus. „Sie müssen sich das Gestaltwandlerzeug besorgen. Lassen Sie es Clay aussuchen, denn es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn Sie überhaupt etwas riechen würden.“
Talin atmete langsam aus. „Gerechtes Geben und Nehmen von beiden Seiten.“ Genau wie in allen anderen Beziehungen.
„Richtig. Und, ach ja, seien Sie zurückhaltend in Bezug auf körperliche Nähe.“ Als Talin sie verständnislos ansah, rollte sie mit den Augen. „Ich wette, Clay fasst Sie an, als habe er ein Recht dazu. Stimmt doch, nicht wahr?“ Sie wartete die Antwort nicht ab. „Es sieht vielleicht so aus, als sei das Rudel locker in Bezug auf Berührungen, aber in Wirklichkeit sind sie ziemlich wählerisch. Warten Sie, bis Ihnen bedeutet wird, dass es okay ist, vor allem bei den dominanten Männern und Frauen.“ Ria sah auf die Uhr. „Verflucht, ich muss los. Wir sollten mal zusammen Mittag essen.“
„Gute Idee“, sagte Talin, und Ria winkte zum Abschied.
Sie hätte gerne über alles nachgedacht, was sie von Ria erfahren hatte, aber sie musste sich jetzt auf etwas anderes konzentrieren. Noch schwerer war es, das Bild loszuwerden, wie Clay den Kopf an ihrem parfümierten Hals rieb, deshalb versuchte sie es erst gar nicht, sondern
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