Im fünften Himmel

zuschnappen. Er ist ganz dicht neben ihr im Dunkeln, aber noch nicht dicht genug. Sie greift nach seiner Hand, um seinen Körper aufs Bett, auf sich zu ziehen. Doch statt seiner warmen Haut greift sie nur Luft. Er ist schon aufgestanden, um das Licht wieder anzuschalten.
    Jessica ist zu gleichen Teilen erleichtert und enttäuscht. Sie schwebt nicht mehr wie vorhin, als sie ihn auf der Bühne sah, schämt sich sogar ein bisschen, dass sie ihre Liebe so bereitwillig bezeugt hat. Doch als sie ihn durchs Zimmer gehen sieht, kann sie nicht leugnen, wie machtvoll dieser Mann sie körperlich anzieht und wie eine Hälfte ihrer selbst darum bettelt, ihre Keuschheitsgelübde zu brechen und die ganze Nacht bis morgen früh mit Marcus zu ficken. Aber nein! Die andere Hälfte begreift intellektuell, die ganze Nacht mit Marcus zu ficken würde nur Reue nach sich ziehen, genau wie bei Len. Und außerdem würde sie damit Marcus Recht geben, der gleich behauptet hat, sie sei nicht in der Lage, so einen Zölibat durchzuhalten.
    Jessica zählt die Schnörkel auf dem Muffin – eins zwei drei vier fünf sechs sieben  – und stopft sich dann das ganze verdammte Ding in den Mund. Ihre Wangen blähen sich von synthetischer Schokolade und künstlicher Sahne.
    Â»Wir haben noch nie zusammen Geburtstag gefeiert«, sagt Marcus, der mit der Geschenktüte auf sie zukommt.
    Jessica würgt einen mit Spucke befeuchteten Klumpen synthetischer Schokolade und künstlicher Sahne herunter. »Ahmmmhhmmmh?«
    Er hockt sich im Schneidersitz aufs Bett und stellt dann vorsichtig die Einkaufstasche zwischen sie beide. »Wir waren an unseren Geburtstagen nie beieinander.«
    Die Matratze zittert. Zuerst denkt Jessica, ihre aufgestaute sexuelle Energie würde sich als tektonisches Phänomen manifestieren. Doch einen Augenblick später merkt sie, dass sie für dieses unwillkürliche Bettbeben nicht verantwortlich ist.
NEUNZEHN
    Marcus wackelt mit den Knien auf und nieder, schneller als die selbstmörderischen Motten vor der Schwelle der Queen mit ihren Flügeln. Er fragt sich, ob er sich wohl noch mal ins Badezimmer zurückziehen und einen runterholen muss.
    Ich werde ihr beweisen, dass ich nur die besten Absichten habe , gelobt er sich. Ich werde ihr beweisen, dass es mir nicht nur um Sex geht. Und nicht nur um heute Nacht.
    Jessica lässt ihre schokoladenverschmierten Fingerspitzen über seinen Bizeps tanzen. Er erbleicht.
    Â»Was habe ich denn gemacht?«, fragt Jessica unschuldig.
    Â»Nichts.« Marcus fängt sich. »Ich war bloß einen Augenblick ein bisschen weggetreten …« Er bricht ab.
    Â»Kann ich jetzt mein Geschenk haben?«, fragt Jessica mit flatternden Lidern. Wenn er es nicht besser wüsste, könnte er schwören, sie versuchte ihn … irgendwie … vielleicht … anzubaggern? Nein, das ist bloß wieder ein Test. Sie hat zu schnell zu viel Zucker gegessen. Das hat nichts mit Sex zu tun. Er windet sich und zieht sich das T-Shirt über den Schritt. Oh Maaaaann. So aufgeladen war er nicht mehr, seit er als zwölfjährige Jungfrau bei jedem Windhauch einen Ständer gekriegt hat.
    Â»Biiiiitteeeeee?«, jault Jessica.
    Marcus öffnet die Tüte einen Spaltbreit und nimmt die Boxershorts heraus, die er für sich selbst gekauft hat.
    Â»Die gehören mir«, sagt er, »aber der Rest …«
    Â»Gib her! Gib her! Gib her!« Jessica springt ihn an und greift nicht nur nach der Tüte, sondern auch nach Marcus. Um sich zu schützen, drückt Marcus ihr die Tüte in die Arme, rollt vom Bett und stellt sich stocksteif (ähem) daneben.
    Â»Mmm«, er spielt mit den Händen in den Hosentaschen herum, »also, da drin sind ein T-Shirt und Boxershorts, weil ich dachte, du brauchst was zum Schlafen. Und eine Zahnbürste, ich nehme mal an, du hast deine im Koffer, und der ist schon ohne dich auf die Jungferninseln geflogen. Und ein Schnapsglas zum, ähm, na ja, zum Schnapstrinken. Nicht dass ich vorschlagen will, wir sollten uns besaufen oder so, aber …« Er schwadroniert hemmungslos. »Und dann noch ein Kartenspiel, weil ich dachte, ich könnte dir vielleicht, ich weiß nicht, ich könnte dir beibringen, wie man Herz spielt. Weißt du noch? Das hat deine Großmutter Gladdie immer gespielt … Das war total komisch, als ich in New Orleans bei der Queen war, da