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Im fünften Himmel

Im fünften Himmel

Titel: Im fünften Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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Nerd?«
    Marcus seufzt. »Ich war immer schon ein Nerd, Jessica«, sagt er. »Ich konnte es bloß besser verbergen als die meisten anderen Nerds.«
    Â»Vielleicht zu gut?«
    Marcus schürzt die Lippen und nickt. Jetzt beginnt Jessica langsam zu begreifen, wie viel von Marcus’ großspurigem Selbstbewusstsein nur der Tarnung seiner tief sitzenden … Nerdigkeit dient.
    Â»Ich könnte dir noch ein Beispiel geben, aber ich glaube, das sollte ich lieber lassen.«
    Jessica schaut ihn prüfend an. »Jetzt ist es doch sowieso raus. Mach ruhig weiter.«
    Marcus holt tief Luft, presst sich eine geballte Faust aufs Herz und liefert die perfekte Imitation eines gewissen Indierock-Nerds, den sie beide nur zu gut kennen, indem er zwei Worte aus dem Refrain des siebenundachtzigstbeliebtesten Songs auf iTunes singt.
    Â»My … SONG …«
    Jessica erkennt ihn sofort und schnappt nach Luft. »Du kennst Lens Song also doch!«
    Â» Natürlich kenne ich Lens Song!« Marcus räuspert sich erneut, stimmt dann den Refrain an.
    Â»You have stopped the arrow of time … There’s no meaning to this rhyme … Because my SONG will never mean as much as the one … He once sang … For you, yes, you …«
    Marcus hatte die ganze Zeit über Lens Song Bescheid gewusst, wie Jessica vermutet hatte. Also weiß er auch, dass sie mit Len gefickt hat, nachdem sie Marcus’ Heiratsantrag abgelehnt hatte, weiß alles, was es zum Thema Jessica und Len zu wissen gibt. Er weiß es, er weiß es, er weiß es, und es ist ihm egal. Es ist ihm genauso egal, merkt Jessica plötzlich, wie ihr inzwischen die Ex egal ist, die ihm den tollen Kaschmirpullover geschenkt hat, oder irgendwelche anderen Mädchen, die vorher kamen. Sie sind ihr egal, und sie sind ihm egal, weil keiner dieser anderen Menschen in diesem Moment in diesem Fahrstuhl ist. Hier sind nur Jessica und Marcus, paradox gesagt zusammen allein.
    Jessica applaudiert, und Marcus verbeugt sich theatralisch. Sie will ihm sagen, dass Len ganz Recht hat, sein Song hat ihr nie so viel bedeutet – das heißt, bis Marcus ihn gerade für sie im Fahrstuhl gesungen hat. Aber das kann sie nicht. Noch nicht.
    Im fünfzehnten Stock treten sie wieder einen Schritt zurück, als die Türen aufgehen, doch wie beim ersten Mal will niemand einsteigen. Immer noch sind nur sie beide in der Kabine, was Jessica sowohl schmerzlich als auch schön findet.
    Â»Als du angefangen hast mitzusingen«, fährt Marcus fort, »da habe ich den richtigen Ton gesungen. Du hast eine unreine – oder, um es technisch korrekt auszudrücken, eine offene – Quinte darüber gesungen, aber sie nicht gehalten. Zusammen haben wir damit einen vokalen Funken geschlagen, der wie eine reine Quinte klang , die stabilste aller Harmonien.«
    Einen Funken? Ist das die Erklärung für das religiöse Feuer, das sie auf der Bühne gespürt hat? Jessica weiß, dass es Marcus mit dieser Sache total ernst ist, aber sie erlaubt sich nicht, ihm zuzustimmen oder den logischen Schluss zu ziehen. Mit anderen Worten, Marcus, wir waren in unserer Unvollkommenheit vollkommen.
    Sie hört die Motoren knirschen, als der Fahrstuhl weiterfährt. Dann, noch lauter, hört sie Haut an Haut schaben, als Marcus seine Handflächen aneinander reibt.
    Â»Seltsam, aber wahr«, sagt er. »Ein Mann zahlt hundert Dollar, um sich von einer Voodoo-Queen in New Orleans die Zukunft vorhersagen zu lassen. Sie nimmt sein Geld, dann seine Hand. Sie sagt ihm, er wird über den Haufen gerannt werden. Zwei Tage später wird er auf dem Newark Liberty International Airport von der einzigen Frau über den Haufen gerannt, die ihm je etwas bedeutet hat.«
    Â»Moment«, sagt Jessica scharf. » Wann ist das passiert?«
    Â»Vor zwei Tagen.«
    Ihre Augen verengen sich. »Du warst vor zwei Tagen in New Orleans? Aber ich dachte …«
    Â»Ich war gerade aus New Orleans gekommen, als du mich umgerannt hast, ich wollte nicht erst hin.«
    Die Zahnräder in ihrem Hirn rasten langsam ein. »Du fliegst also morgen nirgendwohin?«
    Marcus darf nicht riskieren, dass seine überdrehte Impulsivität, sein Wille zu beweisen, wie viel sie ihm noch bedeutet, genau das Gegenteil bewirkt, nämlich sie von ihm wegdriftet. Er wird nicht mit ihr nach St. Thomas fliegen. Das Ticket wird ungenutzt

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