Im fünften Himmel
rumgezickt. Aber mit sechzehn, siebzehn diese Leitartikel zu schreiben ⦠zum ersten Mal im Leben habe ich den Mut aufgebracht, die Sachen, die mir wichtig waren, laut auszusprechen.«
»Wieso lachst du?«
»Weil ich in den letzten zwei Jahren bei der Arbeit mit Teenager-Mädchen ständig daran erinnert wurde, dass mit sechzehn alles so ungeheuer wichtig ist. Ein geflüstertes Geheimnis ist eine Oper. Ein SMS aus einem Wort ist ein Epos. Ein gehässiger Blick ist ein Drama, Drama, Draaaamaaaa . Jede Minute eines jeden Tages ist so intensiv , und das verblasst mit der Zeit. Ich wusste jedenfalls genau, dass ich echt scheiÃalt geworden war, als mir der Gedanke an diese ganzen lebenswichtigen Fragen meiner frühen Highschool-Jahre nur noch peinlich war.«   Â
»⺠Homecoming King und Homecoming Queen : Demokratie für Dummköpfeâ¹.«
»Oh mein Gott, Marcus. Das weiÃt du noch? Daran kann ich mich ja kaum erinnern!«
»âºGemüse-Auflauf: Essensschlacht gegen tyrannische Tischordnungâ¹.«
»Der gehörte nicht mal zu meinen besten.«
»Der beste war doch wohl der allererste, den du geschrieben hast: âºMiss Hyacinth Anastasia Wallace: eine Falschspielerin wie wir alleâ¹.«
»Da muss ich dir zustimmen, wenn auch nur, weil er zehn Jahre später immer noch ins Schwarze trifft.«
[Pause.]
»Ehe du diesen Leitartikel geschrieben hast, hielt ich dich für â¦Â«
»Was?«
»Ach, nicht so wichtig.«
»Na los, Marcus.«
»Faszinierend.«
»Faszinierend.«
»Aber â¦Â«
»Es musste ja ein Aber kommen.«
»Eisig.«
»Faszinierend, aber eisig?«
»Ja.«
»Wie Wasabi-Sorbet?«
»Ja, okay, wie Wasabi-Sorbet. Aber nach dem Artikel â¦Â«
»Wie der Mount Everest!«
» Gut. Du warst wie der Mount Everest.«
»Ein Eisbär! Ein Eisbär ⦠äh â¦Â«
»Der über die Semiotik des Schnees promoviert hat. Bist du langsam fertig, Jessica?«
»Ãhm ⦠ich glaube. Ja.«
»Nach dem Leitartikel wollte ich dich besser kennenlernen.«
»Mich aufwärmen? Mich schmelzen lassen? Damit aus mir faszinierender, hm, Schneematsch wird?«
»Ich werde dich jetzt offiziell ignorieren, Jessica.«
»Nein, sprich weiter. Sag, was du sagen wolltest.«
»Dieser Leitartikel hat zu unserer ersten richtigen Unterhaltung geführt, weiÃt du noch? Du bist auf Krücken nach Hause gehumpelt, und ich habe angeboten, dich im Caddy mitzunehmen.«
[Wiederholtes Husten.] »Der Caddy! Wie gehtâs dem Caddy?«
»Der Caddy ist entschlafen.«
»Gestorben?«
»Das Auto war fast vierzig Jahre alt. Seine Zeit war gekommen.«
»Schockierend, wie traurig mich diese Nachricht macht. Du musst doch am Boden zerstört gewesen sein, als er auf den groÃen Schrottplatz im Himmel gerollt ist. Du hast diesen Wagen geliebt .«
»Habe ich. Aber ich habe auch vorher schon verloren, was ich geliebt habe, also â¦Â«
»Also.«
»Wir könnten eine Schweigesekunde einlegen, wenn du dich dann besser fühlst.«
»Ja, ich glaube.«
[Augenblick des Schweigens.]
»Siehst du? Du kannst immer noch intensiv fühlen. Obwohl du schon so scheiÃalt bist.«
»Har, har, har.«
SIEBEN
(Wendestandpunkte)
»Also, du Oma, was stellst du denn mit deinen benachteiligten Jugendlichen an?«
»Ich bin einer der sechs Mentoren, und zwar eindeutig der am wenigsten qualifizierte. Die anderen haben alle einen Master in künstlerischen Fächern oder gar einen Doktor, aber dafür bin ich mit der wohlhabenden Wohltäterin befreundet, die mit groÃen Summen um sich wirft, wenn sie bei Laune ist.«
»Du entschuldigst dich schon wieder mit Bescheidenheit.«
»Stimmt aber. Und dieser vergleichsweise Mangel an Ausbildung hat mich veranlasst, mich für einen Master-Studiengang zu bewerben.«
»Echt? Wo? Wenn ich fragen darf.«
»Am Teacherâs College. Das ist die pädagogische Fakultät â«
»An der Columbia. Weià ich.«
»Dann kennst du sie?«
»Ja. [Räuspern.] Ich kenne sie.«
»Jedenfalls arbeiten wir immer mit einem Lehrer von der betreffenden Schule zusammen; normalerweise der beliebteste Englischlehrer oder der Betreuer der Schulzeitung. In Pineville war das natürlich Haviland. Diese Lehrer
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