Im fünften Himmel
schreibt.«
»Nein, gerade nicht. Diese Art Ich-Erzählung ist ein totales Klischee geworden, weiÃt du? Wenn sie in die Highschool kommen, haben sie schon so viele Ich-Erzählungen über Wendepunkte geschrieben, dass gar keine Wendepunkte mehr übrig sind. Darum lassen wir sie diesen ersten Text in der dritten Person schreiben.«
»In der dritten Person? Wieso?«
»Mach dich auf ein weiteres 250000-Dollar-Wort gefasst.«
»250000?«
»Der Durchschnittspreis von vier Jahren Elite-Uni.«
»Ah. Okay. Ich bin gefasst.«
»Prosopopoeia.«
»Klingt genau wie das Viertelmillion-Dollar-Wort von vorhin.«
»Das hieà Prosopagnosie. Dies hier heiÃt Prosopopoeia.«
»Kein ScheiÃ.«
»Prosopopoeia ist ein rhetorisches oder literarisches Mittel, bei dem ein Erzähler als eine andere Person spricht.«
»Okay.«
»Forschungen haben gezeigt: Wenn man eine Geschichte in der allwissenden dritten Person erzählt, dann schafft das Distanz, einen Puffer zwischen Autor und Figuren der Geschichte, auch wenn das Erzählte autobiographisch ist und der Protagonist eine Version des Erzählers selbst. Kannst du folgen?«
»Ja, sicher.«
»Dieser Wechsel des Blickwinkels macht schmerzhafte Geschichten weniger schmerzhaft. Du wirst ein objektiver Betrachter des ganzen Sturm und Drangs und bist nicht mehr der unglückliche Mensch, der ihn durchlebt. Therapeutisch gesprochen hoffen wir, dass die Schreibenden tatsächlich etwas über sich selbst lernen und über die Art und Weise, wie sie zu bestimmten Lebensentscheidungen gelangen ⦠Argh. Entschuldige, das stammt wieder alles aus unserem Leitbild.«
»Einen Dollar bitte.«
»Verdammt. Bitte sehr, Marcus. Gib nicht alles auf einmal aus.«
»Danke. Wie schade. Du hast so deutlich vorne gelegen.«
»Und jetzt liegen wir gleichauf. Unentschieden.«
»Ist doch kein Spiel, Jessica.«
»Nicht?«
»Ach was, wahrscheinlich doch.«
[Pause.]
»Ich habe darauf gewartet, dass du mich Game Master nennst. Hat es dich gereizt, mich Game Master zu nennen?«   Â
»Ich habe es klugerweise gelassen. Das ist doch total Abschlussjahr Highschool, oder?«
»Und du hast dich weiterentwickelt.«
»Oh ja, ich habe mich so was von weiterentwickelt. Ich bin viel, viel zu reif, mich auf irgendwelchen Highschool-Spott einzulassen.«
»Nicht mal aus nostalgischen Gründen?«
»Erst recht nicht aus nostalgischen Gründen. Also, wie sagte ich gerade?«
»Die dritte Pâ«
»Ach ja. Die dritte Person. Diese Schreibübung nennen wir den Wendestandpunkt. Der Wechsel des Standpunkts, der Blickrichtung regt auch eine psychologische Verschiebung an, die uns frühere Entscheidungen in neuem Licht sehen lässt. Als würde man sehen, wie ein Freund einen Riesenfehler macht, obwohl es doch so deutlich auf der Hand liegt.«
»Und man gleichzeitig nicht in der Lage ist, seine eigenen Schwächen zu erkennen.«
»Genau.«
»Und was ist mit glücklichen Geschichten, Jessica?«
»Glückliche Geschichten?«
»Ja, solche mit Happy End.«
[Langer Seufzer.] »Leider gibt es davon nicht genug, Marcus. Aber â¦Â«
ACHT
(Viel zu heftig bestreiten)
»Merk dir, was du sagen wolltest â jetzt vibriere ich. Mal sehen, wer dran ist. Ach, nicht so wichtig.«
»Wer war es?«
»Auch jemand, mit dem ich im Augenblick nicht reden muss.«
»Jemand, den ich kenne?«
»Erinnerst du dich noch, dass du mal meinen Zimmergenossen kennengelernt hast â Natty?«
»Der sommersprossige kleine Junge aus Alabama?«
»Dieser sommersprossige kleine Junge aus Alabama ist ganz schön groà geworden. Er hat ein Rhodes-Stipendium.«
»Das Kind hat ein Rhodes-Stipendium? Oh mein Gott. Ich bin so scheiÃalt .«
» Du bist alt? Ich bin zehn Jahre älter als meine Arbeitsgruppenpartnerin. Die kann sich kaum an Boygroups erinnern.«
»Das ist aber eine ernsthafte Wissenslücke. Wie hat die sich denn nach Princeton gemogelt?«
»Möchte ich auch mal wissen. Sie wusste so gut wie nichts über die Rivalität zwischen den Backstreet Boys und *NSYNC. Ich musste sie aufklären.«
»Das war eine wichtige Aufgabe.«
»In der Tat.«
»Du bist also immer noch mit Natty befreundet.«
»Ja. Er ist mein bester Freund an der Uni. Er kann
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