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Im fünften Himmel

Im fünften Himmel

Titel: Im fünften Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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vollends angeschwollen, braucht nun nicht bloß eine Dusche, sondern eine kalte. Er stellt den Duschkopf so hoch wie möglich und dreht das Wasser auf.
    Â»Yi! Yi! Yi!«, kreischt er und hüpft unter dem eiskalten Strahl von einem Fuß auf den anderen wie ein indianischer Regentänzer – hat man ihm jedenfalls gesagt. Ihm hat der Schock dieser ungebremsten kalten Flut immer gefallen, wie seine Knochen knacken und seine Haut sich zusammenzieht, ehe er die Temperatur erträglicher stellt. Diesmal wird er es kalt lassen, bis sein Schwanz sich beruhigt. Er denkt an unangenehme Dinge. Zum Beispiel, wie er Jessica von Greta erzählt.
    Â»Natty nennt sie Greta Sekreta  …«
    Der schlechte Witz macht ihn kaum schlaffer. Er denkt weiter über Greta nach.
    Greta war es, die sein Verhalten unter dem kalten Wasserstrahl mit einem Cherokee verglichen hatte. Sie verglich ihn gern mit anderen Menschen, als könnte sie Marcus besser begreifen, wenn sie ähnliche Objekte untersuchte. So nahm sie auch irrtümlich an, seine Angewohnheit, kalt zu duschen, rührte vom Wunsch her, warmes Wasser zu sparen, wie bei vielen seiner ökologisch gesinnten Kommilitonen. Als Marcus ihr erklärte, dass es mit der Rettung des Planeten nichts zu tun habe, stellte Greta neue Vermutungen an.
    Â»Hattest du viele Geschwister, mit denen du dir ein Badezimmer teilen musstest?«
    Â»Zwei Kinder, zwei Erwachsene, zwei Badezimmer.«
    Â»Entsagung, Askese?«
    Â»Nein.«
    Â»Ich kriege es schon noch raus.«
    Jessica hat, wie Marcus gerade beim Hüpfen unterm eisigen Regen auffällt, diesen Tanz nie bemerkt, oder wenn, dann hat sie ihn nie erwähnt. Obwohl sie viele Jahre ein Paar waren, haben sie doch nur sehr selten länger zusammengewohnt, und Marcus hat sich schon oft gefragt, ob wohl alles anders gekommen wäre, wenn sie vor seinem Antrag regelmäßiger ein Bad geteilt hätten. Wären sie jetzt verheiratet, wenn sie sich daran gewöhnt hätte, zu pinkeln, während er in der Dusche herumhüpfte? Oder wenn sie die zwei Zahnbürsten im Halter als austauschbar akzeptiert hätte?
    Sein Schwanz weist anklagend zu ihm hoch. Ist nicht meine Schuld! , höhnt er. Du wolltest dir doch ein Zimmer mit ihr teilen!
    Greta ist Kulturanthropologin mit den Forschungsschwerpunkten Autorität und Identifikation, Verwandtschaft, Sexualität, Gender, Geschichtsbewusstsein, Vergleich und Übersetzung und zuletzt (jedenfalls auf ihrem offiziellen Lebenslauf) Narrative Theorie und ethnographische Methodik . Sie war blond, kurvenreich und trug gern tief ausgeschnittene, bestickte Seidentuniken in leuchtenden Farben. Mit achtundvierzig hatte sie sich die Falten auf der Stirn und um den Mund redlich verdient, und man sah ihr ihr Alter zwar an, doch auf attraktive Weise. Sie hatte auf der Bewertungs-Website RateMyProfessors.com sogar eine scharfe rote Peperoni neben ihrem Namen stehen und galt an der Uni als eine der bettreiferen Dozentinnen – was allerdings rein hypothetisch geblieben war, bis Marcus auftauchte. Behauptete sie jedenfalls.
    Gretas Karriere war zunächst vielversprechend verlaufen, doch rasch waren ihr Heirat und Kind in die Quere gekommen. Vor zwölf Jahren hatte Greta sich scheiden lassen und dann hart gearbeitet, viel geforscht und fleißig publiziert, um die verlorene Zeit aufzuholen. Ihr Sohn promovierte an der Westküste, an der gleichen Universität, wo ihr Ex-Mann, ebenfalls Anthropologe, seit zwei Jahrzehnten die tragende Säule der Fakultät war. Der Ex-Mann war früher auch Gretas Professor gewesen. Doch über ihren Mann redete sie nicht viel und über den Sohn noch weniger.
    Â»Natty sagt, ich war ein ödipaler Ersatz, und wahrscheinlich hat er Recht.«
    Auch diesen Witz verschießt Marcus schon mal vorbeugend. Angestrengt ignoriert er seine hartnäckige Erektion, indem er sich unter den Armen einschäumt.
    Greta gab das Seminar ANT201 – Einführung in die Anthropologie . Solche Anfängerkurse sind oft der Höllenfluch für noch nicht fest angestellte Dozenten, sogar an einer Elite-Uni wie Princeton. Doch Greta mochte das Seminar, »bekam sie gern früh in die Finger«, wie sie Marcus später erzählte, weil sie tatsächlich glaubte, der richtige Lehrer oder die richtige Lehrerin könnte neugieriges Interesse in eine lebenslange Berufung verwandeln. Ihr eigener Mann hatte das mit achtzehn

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