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Im fünften Himmel

Im fünften Himmel

Titel: Im fünften Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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bei ihr auch geschafft, sagte sie. Damit war der intellektuelle Einfluss ihres Ex viel nachhaltiger gewesen als sein emotionaler – abgesehen vom genetischen Beitrag zu ihrem dreiundzwanzigjährigen Sohn.
    Marcus hatte das Seminar so gut gefallen wie die meisten seiner Seminare, also sehr gut. Als Dozentin hatte Greta ihn genauso behandelt wie alle anderen, hatte sich ihm keineswegs unangemessen genähert. Jeden Montag und Mittwoch saß er um zehn Uhr morgens in ihrem Seminarraum, las die aufgegebenen Texte, schrieb seine Klausuren und Hausarbeiten und lernte mehr über Anthropologie, als er vorher geahnt hatte. Er bekam ein A und zog in Betracht, im folgenden Semester noch ein anthropologisches Seminar für Fortgeschrittene dranzuhängen – Menschliche Anpassung vielleicht? –, wenn er Platz in seinem vollen Stundenplan fand. Es gab so viele Seminare und so wenig Zeit. Im Rückblick wünscht er natürlich, er hätte einen anderen Kurs belegt und Gretas Angebot ausgeschlagen, mit in ihre Wohnung zu kommen und sich ein bestimmtes Selbstporträt eines Malers aus dem neunzehnten Jahrhundert anzuschauen, dem er, wie sie behauptete, sowohl äußerlich als auch in seiner Einstellung ähnelte.
    Â»Natty war ganz überrascht, dass sie mir nicht ihre Briefmarkenalben zeigen wollte.«
    Noch ein Witz, an den er sich erinnert und den er verwirft. Marcus wendet sich nach links und nach rechts, sein Steifer durchschneidet das arktische Wasser wie ein Ruder. Als ob mein Schwanz winterfest wäre , denkt er und dreht die Armatur auf heiß.
    Die vielen akademischen Jahre hatten Greta zu einer gnadenlosen Fragenstellerin gemacht. Selbst die simpelsten Antworten schienen ihr zu geradlinig, als dass sie ohne Debatte akzeptiert werden konnten. Ihre Wissbegierde und ihre Weigerung, anerkannte Wahrheiten für bare Münze zu nehmen, zogen Marcus als Erstes an; jedenfalls hatte er Greta das erzählt, als sie nachfragte. (Die Antwort forderte natürlich weitere Nachfragen heraus, auf die Marcus mit »Deine Brüste« und »Du brauchst keine OP« und schließlich »Greta, du hast tollere Brüste als alle Achtzehnjährigen auf dem Campus, und jetzt komm her, dann zeige ich dir, wie sehr sie mir gefallen« antwortete.) Diese Charakterzüge sind es auch, die er an Jessica mochte – immer noch mag. Greta reizte Marcus nicht nur wegen dieser herausfordernden Übereinstimmungen mit der Frau, die er heiraten wollte, sondern auch, weil Greta unter anderem wegen dieser Eigenschaften genau das Gegenteil des simplen, anspruchslosen Mädchens (Betonung auf »Mädchen«) war, mit dem Marcus ins Bett gehen würde, um über Jessica hinwegzukommen, wie sie annahm. Marcus war Gretas Untergebener. Das wussten beide, und beide wollten es so. Ihre Beziehung, wenn man sie so nennen konnte, basierte auf dieser Machtdifferenz.
    Er drückt sich Flüssigseife in die Handfläche, umfasst mit der anderen fest seinen Ständer, weit unten am Schaft, nah bei den Eiern, und schiebt die Hand nach hinten.
    In all den Jahren mit Jessica Darling hat sie nie nachgebohrt, was ihn zu ihr hingezogen hatte. Er hatte ihr nie Erklärungen geboten, nicht mal in Form von kryptischen Postkarten oder elliptischen Songtexten, weil er immer glaubte, solche Analysen bewiesen Bedürftigkeit, seien unnötig und unmöglich. Er liebte sie, weil sie Jessica Darling war, darum. Was konnte es für eine bessere Erklärung geben? Und er hoffte, wenn sie gefragt wurde, wieso sie so lange mit ihm zusammen gewesen war – ob jemand sie das seit ihrer Trennung gefragt hatte? –, würde sie ebenso antworten: weil er Marcus Flutie war, darum.
    Er schließt die Augen und streicht mit langsamen, seifenweichen Bewegungen auf und ab, auf und ab, auf und ab …
    Marcus hätte Greta sowieso nicht gefragt, wieso sie ihn attraktiv fand, aber er brauchte es auch gar nicht. Sie hatte es ihm sofort erzählt.
    Â»Du siehst aus wie Gustave Courbet.«
    Â»Wer?«
    Â»Ein brillanter französischer Maler des neunzehnten Jahrhunderts«, antwortete sie. »Gleichermaßen berühmt für seine Kunst – die Romantik durch Realismus ablöste – wie für seinen skandalträchtigen Ruf.«
    Da hatte Greta den Vergleich zum ersten Mal angestellt, eine beiläufige Bemerkung, als er von seinem Stuhl aufstand und den Hörsaal verließ. Das

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