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Im fünften Himmel

Im fünften Himmel

Titel: Im fünften Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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nicht zu leugnen. Du bist bloß noch Haut und Knochen und so durch den Wind, dass du dich nicht mal richtig anziehen kannst.«
    Marcus lacht laut auf. »Ich sehe vielleicht ein bisschen, ähm, durchgeknallt aus, aber ich nehm doch kein Speed!«
    Â»Der erste Schritt wäre, dein Problem zu akzeptieren.«
    Marcus könnte jetzt einfach die Tüte nehmen und gehen. Aber eins muss er noch wissen. »Wenn du gedacht hast, ich wäre ein drogenabhängiger Ladendieb, wieso hast du mich dann das T-Shirt anziehen lassen, bevor ich es bezahlt hatte?«
    Der Verkäufer dehnt und entspannt die Finger. »Ich hatte gehofft, du würdest versuchen, es zu klauen.«
    Â»Was?« Marcus weicht langsam von der Kasse zurück. »Wieso?«
    Die irren Augen des Verkäufers glitzern, als er unter die Ladentheke greift und ein silbernes Gerät hervorholt, das wie eine Mischung aus Elektrorasierer und Vibrator aussieht. »Ich wollte einen Vorwand, dich zu tasern.«
    Marcus weicht erschrocken zurück. »Aber w-w-wieso das denn?«
    Er richtet den Taser auf Marcus und grinst noch breiter. »Weil du wie der Typ aussiehst, der meine Ex-Freundin gevögelt hat.«
    Zum ersten Mal nimmt Marcus das Namensschild des Verkäufers wahr: NICK. Hat er Nicks Freundin gevögelt? Vielleicht. Aber Marcus ist sicher, dass er diesen Nick noch nie gesehen hat. An diese Zähne hätte er sich erinnert. Diese Zähne. Andererseits waren die Zähne vielleicht nicht immer so. Vielleicht hatte Nick früher eine ganz normale Zahnreihe aus Schneidezähnen, Eckzähnen, Backenzähnen, bis er sie alle ununterscheidbar abgeschliffen hat wie ein zähneknirschender Speedfreak. Und auf diesen Verdacht folgt die Erkenntnis: Vielleicht hat Marcus tatsächlich die Freundin des Verkäufers gevögelt. Vielleicht hat er sie bei einer Lagerfeuerparty in den Pine Barrens getroffen oder am Strand oder Ende der Neunziger in einem nach Bier stinkenden Keller, hat sie mit ausgedachten Versen umworben, die von Boygroup-Texten und falsch zitierten Rimbaud-Gedichten inspiriert waren, hat mit ihr gevögelt und sie nie wieder angerufen – die Aura von Dichter/Junkie/männlicher Hure gnadenlos ausgenutzt. Wenn er sich andere Vorfälle der Kategorie »Seltsam, aber wahr« vor Augen hält, ist das nicht so weit hergeholt. Er könnte die Sache jetzt gleich klären (Wie hieß denn der Typ, der deine Freundin gevögelt hat?) , aber so eine Verifizierung scheint ihm irrelevant. Vielleicht verdient Marcus es ja, getasert zu werden, egal, ob er es nun war, der Nicks Ex gevögelt hat. Auch wenn Nicks Ex nicht zu den vierzig gehörte (im Augenblick neigt Marcus zu der höheren Zahl, weil sein schlechtes Gewissen es verlangt), so hätte sie doch sehr leicht (viel zu leicht) dazugehören können . Und wenn er es nicht war, so hat sie doch ein Typ gevögelt, der genauso war wie er . Vielleicht würde ein schöner Schuss Taser ihnen beiden emotional guttun. Für Nick: Rache. Für Marcus: Strafe. Genau in diesem Moment fällt Marcus eine Zeile aus den Notizbüchern ein, die Jessica ihm am Nachmittag ihrer Trennung gegeben hat: Dass ich dir vielleicht nie die vielen Mädchen vergeben könnte, die vor mir kamen, so wenig wie mir die vielen Männer, die nach dir kommen würden.
    Er fasst einen Entschluss. »Mach es«, sagt er und lässt die abwehrend erhobenen Hände sinken. »Ich verdiene es.«
    Marcus richtet sich gerade auf, wappnet sich für äußerst schmerzhafte fünfundzwanzigtausend Volt. Nick streckt den Zeigefinger aus, kneift konzentriert ein Auge zu … und fällt vor Lachen auf den Tresen.
    Â»Aaaaaaaalter! Ich mach bloß Witze!«
    Marcus blinzelt einmal, zweimal, rührt sich aber nicht.
    Â»Ich hab dich noch nie im Leben gesehen«, sagt Nick, als sein Gelächter abebbt.
    Â»Bist du sicher?«
    Â»Du klingst ja richtig enttäuscht.«
    Marcus ist auch enttäuscht über diese lahme Kapitulation. Nachdem er den Gedanken ans Tasern erst einmal akzeptiert hatte, wollte er es genauso begeistert und unbedingt wie all seine anderen Extrem-Experimente, darunter ein Schweigejahr, ein Monat ohne Wasser und Seife, eine Woche Trinkfasten (mit Alkohol), ein Rund-um-die-Uhr-Sexwochenende mit einer Frau in den Wechseljahren und ein 24-Stunden-Marathon mit »My Song Will Never Mean as Much (As the One He Once Sang For You)«

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