Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
Vom Netzwerk:
genommen überflüssig – abgesehen von dem Geld, das er ihnen monatlich zahlte. Allerdings noch nicht sofort, schließlich konnten sie einen Sündenbock für ihre Taten brauchen, und dieser Polizeibeamte İkmen war ihm trotz all seiner Bemühungen immer noch dicht auf den Fersen. Bestimmt würde er schon bald wieder auftauchen, um Hassan weitere Fragen zu stellen, ihn auszuquetschen. Was sollte er antworten? Was konnte er sagen, ohne sich zu verraten?
    Hassan Şeker verbarg das Gesicht in den Händen und begann wieder zu weinen. Als seine Frau Geräusche hörte, die sie an ein Tier erinnerten, das starke Schmerzen litt, öffnete sie ohne anzuklopfen die Tür zu seinem Büro. Dort blieb sie stehen und betrachtete ihn. Armer schwacher Mann – durch seine Verbindung mit Leuten wie Ekrem Müren hatte er sich das Leben selbst zur Hölle gemacht. Aber vielleicht weinte er auch, weil Hatice tot war. Im Gegensatz zu den vielen anderen Mädchen, die er im Laufe der Jahre verführt hatte, schien er sie wirklich gemocht zu haben. Allerdings machte das die Sache für Suzan auch nicht leichter. Sie liebte und hasste ihren Mann gleichermaßen, daher ging sie jetzt nicht zu ihm, um ihn zu trösten, sondern ließ die Tür laut hinter sich zufallen und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
     
    »Ich werde Hilfe brauchen«, sagte İkmen, während er mit einer Zigarette im Mundwinkel aufgeregt im Zimmer auf und ab lief.
    »Und die werden Sie auch bekommen«, erwiderte sein Vorgesetzter. »Lassen Sie mich wissen, wen und was Sie brauchen, und ich stelle es Ihnen zur Verfügung.«
    Ardiç war etwa eine halbe Stunde lang im Haus von Sivas gewesen. Während dieser Zeit hatten İkmen und seine Beamten, darunter auch İskender, ihn mit den wichtigsten Fakten im Fall Hikmet und Kaycee Sivas vertraut gemacht. Ardiç hatte zornig ausgesehen, aber nicht zu toben begonnen. In Anbetracht dessen, was vorgefallen war, erschien seine Reaktion mehr als verblüffend. Der Polizeipräsident war berüchtigt für sein explosives Temperament, und wenn man bedachte, mit welchem Interesse der Fall in den Medien verfolgt wurde, hätte Ardiç allen Grund zu einem Tobsuchtsanfall gehabt.
    »Falls Ahmet Sılay mit seiner Behauptung über Sivas’ Mafiakontakte Recht hat«, sagte İkmen, »dann muss ich mit der Polizei in Amerika sprechen. Eigentlich sollte ich das sofort tun für den Fall, dass Sivas dort aktenkundig ist.«
    »Nun ja, das wird zu gegebener Zeit sicher möglich sein«, erwiderte Ardiç und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß aus dem Gesicht. »Aber da es sich immer noch um reine Spekulation handelt …«
    »Für mich hat es genug Beweiskraft!«, rief İkmen. »Die bloße Andeutung, dass die Mafia mitten unter uns sein könnte, genügt mir. Unsere eigenen Familien sind schon schlimm genug, aber bei diesen Leuten handelt es sich um Experten. Sie haben das organisierte Verbrechen erfunden!«
    »Wir haben keinerlei Beweise.«
    »Ich möchte in Erfahrung bringen, was die Amerikaner wissen, sofern sie überhaupt etwas wissen.«
    »Und ich sage: Solange wir nur die bitteren Erinnerungen eines eifersüchtigen, alkoholisierten Rivalen haben, der noch dazu mit einer blühenden Phantasie ausgestattet ist, solange kann ich nicht einfach …«
    »Doch, Sie können!« İkmen stand jetzt so dicht vor Ardiç, dass er die Erregung in dessen geäderten Wangen sehen konnte. »Sie sind der Polizeipräsident von Istanbul und haben Grund zu der Annahme, dass Hikmat Sivas mit der Mafia in Verbindung steht!« Er wies mit dem Arm auf die Treppe, die zu den Schlafzimmern hinaufführte. »Dort oben liegt der Kopf seiner Frau! Was muss denn noch erst passieren?«
    Ardiç senkte die Stimme, ein Akt der Selbstkontrolle, den man bei ihm nur äußerst selten erlebte. »Wie ich Ihnen bereits erklärt habe, İkmen«, sagte er, »werden wir streng nach Vorschrift vorgehen. Wir beide werden Vedat und Hale Sivas befragen, und auf der Grundlage dieser und anderer Informationen, die unsere Beamten durch die Befragung der Nachbarn gewinnen, werden wir eine Suchaktion nach Hikmet Sivas einleiten.«
    »Er könnte überall sein!« İkmen warf den Stummel seiner Zigarette in einen Aschenbecher und zündete sich eine neue an.
    »Darum müssen wir auch mit denjenigen sprechen, die ihm am nächsten stehen«, erwiderte Ardiç. »Nur so werden wir herausfinden, wohin er geflohen sein könnte.«
    İkmen wusste, dass Ardiç in gewisser Weise Recht hatte. Ohne irgendeinen Hinweis auf

Weitere Kostenlose Bücher