Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
Vom Netzwerk:
dass Sie sich immer noch heimlich mit dem Tod von Hatice İpek befassen, İkmen. Und ich weiß darüber hinaus, dass Sie auch in diesem Fall eine Beteiligung der Familien vermuten oder sie sogar entdeckt zu haben glauben.«
    »Wie kommen Sie darauf?« İkmen war sich absolut sicher, dass er keine dieser Theorien mit Ardiç besprochen hatte.
    »Lassen Sie Hassan Şeker endlich in Ruhe«, sagte sein Vorgesetzter, der dieses Gesprächs langsam überdrüssig wurde und sich schwerfällig erhob. »Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe, İkmen. Sie haben nichts gegen ihn in der Hand außer seiner Affäre mit diesem Mädchen.«
    »Hat er sich über mich beschwert?« İkmen spürte, wie sein Gesicht vor Wut rot anlief. »Dabei habe ich noch nicht einmal mit ihm gesprochen.«
    »Geben Sie endlich Ruhe!«
    Und İkmen gehorchte – zumindest für den Augenblick. Äußerlich eingeschüchtert, folgte er seinem Vorgesetzten in Sivas’ Arbeitszimmer, wo Hale und Vedat mit ausdruckslosen Gesichtern auf sie warteten.
    In seinem Innern aber brodelte es. Er hatte Hassan Şeker am Abend zuvor gesehen, als er von der Arbeit nach Hause kam, jedoch kein Wort mit ihm gewechselt. Hatte Hassan ihn mit Ratte zusammen gesehen? Jeder wusste, wer Ratte war, aber selbst wenn Hassan irgendwelche Informationen über die Familien aufgeschnappt hatte, konnte İkmen sich einfach nicht vorstellen, dass er damit zu Ardiç ging. Und warum Ardiç İkmen erst jetzt darauf ansprach, blieb ebenfalls im Dunkeln.
    Es sei denn, Hassan Şeker hatte sich gar nicht über ihn beschwert. Es sei denn, diese Informationen kamen aus İkmens unmittelbarer Umgebung …
    Es war eine extreme Reaktion auf eine Reihe von Fragen, die in keinster Weise aggressiv gestellt wurden. Es passierte einfach, ohne dass Vedat Sivas es im ersten Moment überhaupt bemerkte. Er machte sich in die Hose. Der kleine, dünne Polizist, İkmen, hatte ihm gerade eine Frage gestellt, als Vedat – gequält von der Vorstellung, was wohl in dem Moment mit seinem Bruder geschah – im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr an sich halten konnte.
    »Ich habe keine Ahnung, wohin mein Bruder gegangen sein könnte«, sagte er und beobachtete entsetzt, wie die Feuchtigkeit aus seiner Blase sich über den roten Samtbezug des Stuhls ausbreitete, auf dem er saß. »Hikmet ist ein Filmstar, ich bin nur ein armer Nachtwächter. Auch wenn ich in der Villa meines Bruders lebe, bin ich doch nur ein Nachtwächter.«
    »Das hast du dir selbst ausgesucht«, sagte seine Schwester und reichte ihm angewidert ein Päckchen Taschentücher.
    »Vielleicht.« Er tupfte sich flüchtig mit einem Taschentuch den Schritt ab und warf das Päckchen dann tief beschämt auf den Boden.
    Jeder im Raum wusste, was geschehen war, schließlich sah man es nur allzu gut. Aber niemand ging darauf ein, weder İkmen noch sein korpulenter Vorgesetzter, noch Hale.
    »Wo arbeiten Sie, Herr Sivas?«, fragte İkmen. Er lächelte sogar, während er die Frage stellte.
    Tief in seinem Inneren betete Vedat, er möge sterben. Er musste vorsichtig sein, sehr vorsichtig, wenn er mit den Polizisten sprach. Er holte tief Luft. Mit etwas Glück würde er nie wieder in der Lage sein, Luft zu holen, vielleicht …
    Doch sein Körper reagierte ganz normal, und so war er gezwungen zu antworten. »Ich habe mehrere Arbeitsstellen …«
    Seine Stimme versagte, seine Kehle war zu trocken zum Sprechen.
    »Ach ja?«, meinte İkmen immer noch lächelnd. »Und welche sind das?«
    Hale schaute kurz zu ihrem Bruder hinüber und richtete ihren Blick dann wieder sittsam zu Boden.
    Vedat räusperte sich. »Ich arbeite zwei Nächte im Etap Marmara Hotel, eine Nacht im Yıldız-Palast und eine im Çirağan Kempinski Hotel.«
    »Aber zurzeit haben Sie Urlaub, richtig?«
    »Ja. Weil mein Bruder zu Besuch ist. Morgen Abend soll ich eigentlich wieder im Çirağan anfangen.« Er sagte das mit eini ger Dringlichkeit in der Stimme, als wäre es ihm gerade erst wieder eingefallen.
    İkmen zuckte die Achseln. »Nun, vielleicht wird das nicht möglich sein, Herr Sivas.« Er schrieb etwas in sein Notizbuch und schaute dann wieder auf. »Es ist ein Mord geschehen. Niemand darf das Haus verlassen. Wir werden sämtliche Räume und die Umgebung nach weiterem Beweismaterial absuchen müssen, vielleicht sogar nach dem Leichnam Ihrer Schwägerin.«
    Hale schlug die Hände vors Gesicht und murmelte: »Allah!«
    »Und was ist mit meiner Arbeit?«
    »Weiß Ihr Bruder, wo Sie arbeiten und an

Weitere Kostenlose Bücher