Im Gewand der Nacht
Heper-Schwestern, alles über diese Edelprostituierten wissen.«
»Und wissen sie wirklich etwas?«
İkmen zuckte die Achseln. »Aus der Art und Weise, wie sie nichts gesagt haben oder nichts sagen wollten, schließe ich, dass sie wahrscheinlich etwas wissen.«
Süleyman setzte sich wieder. Obwohl er bezweifelte, dass Ratte, der notorisch unzuverlässige Spitzel aus Sultanahmet, wirklich etwas über den Fall İpek wusste, stellte er İkmens Einschätzung in Bezug auf die Heper-Schwestern keinen Augenblick in Frage. İkmens über viele Jahre entwickelter und durch zahllose Fälle geschärfter Instinkt wurde im Allgemeinen nur von Ardiç angezweifelt – und der musste seine Skepsis mit schöner Regelmäßigkeit bereuen.
»Auf welche Weise könnten die Schwestern deiner Meinung nach in die Sache verwickelt sein?«, fragte Süleyman.
»Mit Sicherheit haben sie das Kleid angefertigt, von dem ich dir erzählt habe«, antwortete İkmen. »Du weißt schon, das Kleid, das Hatice İpek bei ihrem Tod trug.«
»Aber sie wollten nicht zugeben, dass es von ihnen stammt?«
»Nein. Und das deutet meines Erachtens darauf hin, dass sie mehr über die ganze Angelegenheit wissen oder sogar tiefer darin verstrickt sind – ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Laut Ratte soll dieser Handel mit hübsch gekleideten Mädchen vor kurzem von einer der Familien übernommen worden sein.«
»Laut Ratte. Na ja.« Süleyman blickte İkmen aus erschöpften Augen an. »Das ist für mich der einzige Schwachpunkt in deiner Theorie, Çetin.«
»Ratte?«
»Genau. Er ist nicht nur unzuverlässig, sondern auch dumm.«
»Tja, da kann ich dir nicht widersprechen«, sagte İkmen.
»Meistens haben wir mit ihm nur unsere Zeit verschwendet. Aber bei unserem letzten Treffen wirkte er völlig verängstigt.«
İkmen runzelte nachdenklich die Stirn, als er an den Abend zurückdachte. »Du hast natürlich Recht, er wollte wie immer Geld, aber er ist auch ein enormes Risiko eingegangen.«
»Also ist diese Prostitutionsgeschichte …«
»Wenn ich es richtig sehe«, sagte İkmen, »werden Männer mit einem Faible für die gute alte Zeit von irgendjemandem mit Odalisken versorgt. Ratte meinte, diese Art der Prostitution laufe schon seit vielen Jahren. Doch nun hat anscheinend eine der Familien das Geschäft übernommen, und es fließt Blut – vielleicht nicht nur das von Hatice.«
»Ich kann schon verstehen, dass manche Männer es unwiderstehlich finden, wenn eine Frau sich jeder ihrer Launen oder sogar Perversionen unterordnet«, meinte Süleyman.
» Ursprünglich waren Odalisken Dienerinnen, die sämtliche Bedürfnisse eines Sultans zu erfüllen hatten, sowohl im Bett als auch als Gastgeberin und Unterhalterin. Eine Odaliske wurde nicht nur zur sexuellen Unterwerfung erzogen, sie lernte auch, sich perfekt zu kleiden, zu singen, ein Instrument zu spielen und Wäsche zu waschen. Und sie musste von vollkommener Schönheit sein.« Er lächelte. »Schließlich durfte Allahs Schatten auf Erden nicht dem Anblick eines körperlichen Mangels ausgesetzt werden.«
»Also machen die Familien jetzt viel Geld mit den ganz speziellen sexuellen Fantasien einiger Männer«, meinte İkmen. » Denn wenn die Heper-Schwestern die Gewänder für diese modernen Sexsklavinnen angefertigt haben, dürfte diese Art der Dienstleistung nicht gerade billig sein. Reiche Perverse …«
»… die also jetzt eine der Familien bezahlen?«
»Ja – aber welche?« İkmen hob die Hände, wie um Süleyman zu einer Antwort aufzufordern, die dieser nicht geben konnte. »Die einzige Verbindung zwischen einer der Familien und diesen Vorfällen ist der Kontakt der Mürens zu Hassan Şeker, der eine Affäre mit Hatice İpek hatte und in seinem Abschiedsbrief behauptet, sie getötet zu haben. Ich glaube das immer noch nicht. Natürlich könnten die Mürens Sex mit Hatice gehabt haben. Aber dass sie so eine, nun ja, exklusive, ausklügelte und gut organisierte Sache wie diese übernehmen, erscheint mir nahezu unmöglich. Ali Müren ist genauso ein Stück Abschaum wie seine Söhne und im Grunde nichts weiter als ein gemeiner Schläger. Nein, die sind viel zu dumm, um eine solch komplexe Organisation leiten zu können. Bei den Galikos oder den Edips würde ich das für möglich halten, aber nicht bei den Mürens.«
»Dann steht vielleicht noch eine andere Familie hinter ihnen«, sagte Süleyman. »Vielleicht ja doch die Galikos, oder sogar der Bulgare.«
»Ich dachte, der wäre
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