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Im Glanz Der Sonne Zaurak

Im Glanz Der Sonne Zaurak

Titel: Im Glanz Der Sonne Zaurak Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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weit über das Maß hinausgeht, das der Mikroorganismus für die Aufrechterhaltung seiner Lebensfunktionen benötigt.
    Pinn weiß sich keinen Rat mehr. Er kommt aufgeregt in Viktors Labor. Auf seiner Stirn stehen Schweißtröpfchen, und auf dem Trikot haben sich entlang der Wirbelsäule und auf dem Brustbein dunkle, feuchte Flecken gebildet. Viktor und Gilbert sehen ihm furchtsam entgegen. Jedesmal, wenn der Doktor bei ihnen auftaucht, überbringt er eine Hiobsbotschaft.
    „Lanzett beschleunigt den gesamten Stoffwechsel der Mä n ner in einem Maße, daß ich schwarzsehe!“ krächzt er heiser.
    Seit Tagen hält er sich nur durch ein gutes Dutzend Tassen Kaffee täglich auf den Beinen. Mit beinahe unmenschlicher Kraft kämpft er gegen den Wunsch an, wenigstens ein halbes Meßglas Weinbrand durch die Kehle rinnen zu lassen… Aber er weiß, daß dies seinem eisern durchgezogenen Entzugspr o gramm den vernichtenden Schlag versetzen würde.
    „Was soll ich tun? Der Organismus hat bereits begonnen, körpereigene Reserven abzubauen, aber mit einer Geschwi n digkeit, wie ich es noch nie erlebt habe!“ sagt er.
    „Wie macht sich das bemerkbar, Doktor?“ fragt Viktor besorgt.
    „Sie verhungern! Sie verhungern, obwohl ich sie zusätzlich noch an den Dextrosetropf gehängt habe! Versteht ihr das?“ ruft der Arzt verzweifelt aus.
    Betroffen wechselt Viktor einen Blick mit Gilbert Ekalla.
    „Das begreife ich nicht…“, murmelt Gilbert. „In den Wü r mern verhält sich Lanzett X wie ein intrazellulärer Sy m biont…, im Organismus der Asseln ebenfalls… Warum wird es im menschlichen Organismus wieder parasitär?“
    „Erinnere dich, wir haben darüber schon einmal gerätselt“, sagt Viktor. „Warum tauchen der Parasit und sein abartiges Larvenstadium in so vielfältigen Varianten auf? Weil sie in der Lage sind, sich jedem beliebigen Milieu anzupassen. Lanzett X probiert aus, ob ein parasitäres Dasein zweckmäßiger ist als ein symbiontisches. Er hat ein neues Milieu gefunden und pr o biert…“
    „Hoffentlich merkt er bald, daß er damit sich selbst den Hahn zudreht! Er bringt die Männer um, verdammt noch mal!“ brüllt der Arzt unbeherrscht. „Und sie theoretisieren herum!“
    „Das ist alles, was wir tun können“, entgegnet Viktor ruhig.
    Gilbert öffnet die Rollos vor einem mit Panzerglas gesiche r ten Fenster und zeigt in den schwach erhellten Raum dahinter. Reihe um Reihe stehen dort Reagenzgläser, Petrischalen, Thermophore – alle mit Brutansätzen auf verschiedensten Nährböden gefüllt, mit Toxinen geimpft, allen Strahlen des elektromagnetischen Spektrums in unterschiedlichster Intens i tät ausgesetzt… „Meinen Sie, wir legen die Hände in den Schoß, Doktor?“ fragt er vorwurfsvoll.
    „Entschuldigung. Die Nerven…“, antwortet Dr. Pinn ze r streut. „Ich glaube, ich muß endlich mal eine Stunde schlafen.“
    Viktor steht auf und sagt: „Ja, legen Sie sich hin, Doktor. Ich übernehme die Wache im Lazarett. Wenn etwas geschieht, melde ich mich sofort über Bordfunk. Einverstanden?“ Der Arzt antwortet nicht. Seine regelmäßigen Atemzüge verraten, daß er auf seinem Stuhl eingeschlafen ist.
    -
    Die vier Raumfahrer liegen in einem hermetisch abgeschloss e nen Raum. Durch eine breite Glasscheibe, die fast über die gesamte Wand reicht, kann Viktor in die Intensivstation sehen. Über jedem Krankenbett wölbt sich die sphärische Glocke eines Sauerstoffzeltes. Arm-und Beinvenen der Patienten sind mit Kanülen gespickt, über den Körper verteilt, kleben die Kontakte der Kontrollgeräte auf der bleichen Haut, durch die bläulich das Geäst der Blutgefäße schimmert.
    Leander ist kaum wiederzuerkennen. Als er schwach die Hand hebt, um den Freund zu grüßen, muß Viktor seine Erschütterung verbergen. Wie die Hand eines Toten zittert sie unter der transparenten Glocke des Sauerstoffzeltes. Leander ist abg e magert bis zum Skelett. Sein ehemals kantiges Gesicht ist nur noch eine mit einer hauchdünnen Hautschicht überzog e ne knöcherne Maske. Mühsam öffnet er den Mund, und Viktor hört ihn ganz schwach: „Steht nicht besonders gut um uns, was? Ahab hat uns heute viermal besucht…, sonst ist er nur einmal am Tag gekommen…“
    Viktor weiß, daß er Leander nicht täuschen kann. „Wir tun, was wir können Leander. Gilbert experimentiert mit dem Zellplasma des Lanzetts, um einen Impfstoff herzustellen…,“
    „Das hilft uns doch nicht mehr, dazu ist es zu spät…“
    Viktor nickt

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