Im Glanz Der Sonne Zaurak
Alltag gehören wie die Wurst zum Brot. Langeweile werde garantiert nicht aufkommen. Das habe immerhin den Vorteil, daß die psychische Verfassung der Besatzung noch nie ausgesprochen pathologische Erscheinu n gen zeigte, wie es auf modernen Großraumkreuzern gelegen t lich vorkomme.
Sie marschieren durch den Gang, der neben den Schienen des Tunnellifts durch den Schwanenhals führt, und betreten wenig später die Brücke. Das erstemal in seinem Leben steht Leander in der Kommandozentrale eines richtigen Raumkreuzers! Und wenn es die Brücke des ältesten Schrotthaufens zwischen dem Aldebaran und der Mira ist – das ist doch ganz etwas anderes als die Simulatoren der Kadettenschule!
Als erstes fallen die transparenten Wände des runden Ra u mes von der Größe einer Turnhalle auf. Von außen wirkte die Knolle wie der Kopf einer blinden Mißgeburt. Aber die Kommand o zentrale ist alles andere als blind. Der Anblick der stumpfen Außenhaut hat getrogen; von innen ist sie so durchsichtig wie Glas. Mitten in der Zentrale wölbt sich der Kugelschirm des Astrogoniums, des Kernstücks des Zentrala u tomaten, in dem sich die dreidimensionale Abbildung des durchflogenen Raumes in verschiedenem Maßstab projizieren läßt.
Wenn man einen Vergleich finden müßte, könnte man be s tenfalls den künstlichen Horizont der historischen Flugmasch i ne anführen – aber diese Gegenüberstellung ist so exakt, als vergleiche man einen schnellen Brüter mit einer Wassermühle. Das Astrogonium gibt nicht nur Auskunft über den gesteuerten Kurs, sondern kann unter Zuhilfenahme eines Laserstifts auch zur Grobprogrammierung der Flugbahn benutzt werden. Der Laie könnte es für ein Mittelding zwischen Sternenglobus und Planetarium halten.
Exakte Manöver lassen sich jedoch mit ihm allein nicht ausführen. Dazu dienen die Tastaturen des Zentralcomputers, die sich vor jedem der drei Navigatorplätze auf dem halbmon d förmigen Pult befinden, das das Astrogonium zu zwei Dritteln umschließt. Und für besondere Fälle ist noch eine Handsteu e rung vorhanden, deren Leitstand sich vor dem großen Bil d schirm an der Vorderfront befindet. Dieser Bildschirm scheint frei in der Luft zu schweben, wie überhaupt der Eindruck erweckt wird, man sei auf ein freies Plateau getreten, das ein gutes Dutzend Meter über die Start-und Landeplattform der Außenstation Rota ragt. Die Täuschung rufen die durchsicht i gen Wände hervor, die den Blick auf die unermüdliche Geschäftigkeit des Stationsalltags freigeben.
Das chromblitzende V des Handsteuerbügels, dessen Enden mit weichem Kautschuk überzogen sind, ist durch einen feinen Draht mit einer Plombe gesichert. Diese Maßnahme ist Tradition. Die wirkliche Sperre besteht aus zwei Stahlstiften mit roten Köpfen, die vor Benutzung herausgezogen werden müssen. Nötig ist eine Sicherung auf jeden Fall, denn bei Betätigung des Steuerbügels schaltet sich das Elektronengehirn der Leviathan sofort vom vollautomatischen in den halbaut o matischen Betriebszustand. Das bedeutet, daß der diensthabe n de Pilot – meistens ist es in solchen Fällen der Kapitän selbst – die Kommandos ausschließlich vom Leitstand aus gibt. Der Zentralautomat arbeitet natürlich weiter, aber ohne festes Programm. Seine präzis berechnete Risikoschwelle ist ausg e schaltet. Das volle Risiko trägt dann der Mensch.
Das hört sich alles gefährlicher an, als es in Wahrheit ist. Die Handsteuerung wird in der Regel nur benutzt, wenn sich durch Defekte oder menschliches Versagen kapitale Programmi e rungsfehler zeigen, so daß der Zentralautomat Alarm auslösen muß. Kleinere Abweichungen bügelt er durch eine logische Pufferschaltung selbsttätig aus.
Als der Chefnavigator darauf verweist, daß die Speicherbl ö cke des Elektronengehirns noch nicht auf genotische Systeme umgestellt sind, sondern nach dem althergebrachten Prinzip der holographischen Signalspeicherung arbeiten, bei dem als Datenspeicher winzige Lithiumniobatkristalle verwendet werden, in deren Gitter je Kubikzentimeter etwa eine Milliarde Bit gespeichert werden können und bei denen Aufzeichnung und Abrufung noch über eine tausendstel Sekunde benötigen, hört Leander nur mit einem halben Ohr zu.
Er läßt sich zur Probe in einen der hochlehnigen Konture n sessel vor dem Pult des Astrogoniums fallen, und seine Finger gleiten spielerisch über die Tasten des „Imperators“, des Eingabepultes. Das ist ungefährlich. Leander ist klar, daß er die Tasten nicht
Weitere Kostenlose Bücher