Im Hauch des Abendwindes
es wird Zeit für uns«, warf Ruby ein. »Silver Flake wartet bestimmt schon auf ihr Futter.«
Jed sah sie scharf an. »Du hast sie doch nicht etwa vor dem abendlichen Training gefüttert, oder?«
»Äh … nein … natürlich nicht«, stammelte Ruby.
»Ruby hat sich ganz rührend um das Pferd gekümmert«, setzte Bernie sich für sie ein. »Es ist bei ihr in besten Händen.«
Ruby hielt unwillkürlich den Atem an. Bernie würde ihr Geheimnis doch hoffentlich nicht ausplaudern?
»Das will ich auch hoffen«, brummte Jed und stapfte Richtung Stall davon. Ruby folgte ihm langsam.
Kadee war noch nicht da, und so verbrachte Jed einige Minuten damit, das Pferd liebevoll zu begrüßen. Die Wiedersehensfreude war auf beiden Seiten groß; das Pferd und sein Trainer hatten ganz offensichtlich eine besondere, innige Beziehung. Diese zärtliche Seite an Jed war neu für Ruby.
Während sie die beiden beobachtete, versuchte sie, den Mut aufzubringen, Jed von ihren Reitstunden zu erzählen. Doch sie schaffte es nicht, weil sie sich vor seiner Reaktion fürchtete. Um ihre innere Anspannung abzubauen, ging sie in die Sattelkammer hinüber und holte Satteldecke, Sattel und Zaumzeug.
»Hat Kadee gesagt, dass sie kommen würde?«, fragte Jed, der das Pferd genauestens in Augenschein nahm.
»Nein.«
Ruby streifte Silver Flake das Zaumzeug über. Kadee würde ihm natürlich sofort sagen, dass sie schwanger war, und Jed würde höchstwahrscheinlich sauer sein, weil sie ihm nicht längst reinen Wein eingeschenkt hatten.
»Aber heute Morgen war sie doch da, oder?«
Jed warf dem Pferd die Satteldecke über. Ruby kam ihm schnell zu Hilfe und wuchtete den Sattel darauf. Es war besser, wenn er sich nicht gleich am ersten Tag zu sehr anstrengte.
»Ja«, antwortete Ruby einsilbig.
Jed sah sie stirnrunzelnd an. »Stimmt was nicht?« Er zog den Sattelgurt fest und die Steigbügel herunter.
»Ich … ich muss dir was sagen.«
Nervös fuhr sich Ruby mit der Zungenspitze über die Lippen. Vor lauter Aufregung bekam sie fast keine Luft.
»Ja? Was denn?«
Ruby zögerte angesichts seiner finsteren Miene. »Ich … ich …«
»Was?«, fauchte er ungeduldig. »Hat es etwas mit Silver Flake zu tun?«
Seine Gereiztheit raubte ihr vollends den Mut. Plötzlich nahm sie hinter ihm eine Bewegung wahr. »Oh!«, rief sie. »Ich dachte nur, ich hätte da hinten etwas gesehen. Ich glaube, da ist irgendetwas in die Scheune gehuscht.«
Jed drehte sich um. »Eine Schlange?«
»Gut möglich.« Ruby nickte eifrig. »Ja, wahrscheinlich. Eine ziemlich große.«
Jed schnappte sich eine Schaufel und ging auf die Scheune zu. Aus einer plötzlichen Eingebung heraus schwang sich Ruby auf Silver Flakes Rücken, lenkte die Stute zur Reitbahn, drückte ihr die Absätze in die Flanken und galoppierte los. Sie hörte Jed hinter sich schreien, sie solle sofort zurückkommen, aber sie achtete nicht darauf.
Nach zwei Runden in schnellem Galopp kehrte sie zu Jed zurück, dessen Gesicht vor Wut rot angelaufen war.
»Was soll das, verdammt noch mal? Hast du den Verstand verloren?«, fuhr er sie an.
Er packte die Zügel und zerrte Ruby aus dem Sattel, eine Bewegung, die sein schmerzender Brustkorb ihm übel nahm. Jed verzog das Gesicht. Ruby brachte es nicht fertig, ihn anzusehen.
»Willst du dich umbringen, oder was?«
»Ich hab reiten gelernt«, sagte Ruby kleinlaut.
»Was?« Jed schaute erst die Stute an und dann Ruby. »Wie? Wann?« Als Ruby nicht antwortete und den Blick gesenkt hielt, fuhr er fort: »Du schuldest mir eine Erklärung, Ruby. Verrätst du mir endlich, was hier vor sich geht? Und wo ist eigentlich Kadee?«
»Hier bin ich, Jed«, sagte Kadee, die in diesem Moment auf sie zukam. Sie hatte nur die letzten Worte ihrer Unterhaltung aufgeschnappt.
Jed und Ruby drehten sich gleichzeitig zu ihr um.
Kadee sah Ruby lächelnd an. »Hast du Jed gesagt, dass du reiten kannst?«
»Nicht direkt«, murmelte Ruby.
»Vor ein paar Tagen hatte sie noch keinen blassen Schimmer vom Reiten, und jetzt reitet sie mein Pferd? Könnt ihr mir das mal erklären?«
» Unser Pferd«, verbesserte Ruby. Jed warf ihr einen vernichtenden Blick zu.
»Sie hat reiten gelernt, weil ich nicht mehr reiten kann«, sagte Kadee.
Jed verstand überhaupt nichts mehr. Einen Moment starrte er Kadee fassungslos an, dann stieß er aus: »Und warum nicht?«
Kadee legte sich eine Hand auf ihren Bauch und strahlte. »Weil ich schwanger bin.«
»Das gibt’s doch nicht!«, entfuhr
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